Bush Is Back

Memoiren lösen Revisionsmusschübe aus

Memoiren lösen Revisionsmusschübe aus

In Zusammenhang mit der sogenannten Berichterstattung über die Memoiren von Präsident George W. Bush („Decision Points“) erleben wir erneut und keinesfalls überraschend Revisionismusschübe eigener Art. Häufig im Zentrum steht dabei die mittlerweile zur politischen und historischen Folklore zu zählende These, Präsident Bush habe seine Nation und die Welt in Hinblick auf die Gründe für den Irak-Krieg belogen. Der  Krieg sei im übrigen völkerrechtswidrig. Sagen jedenfalls die Völkerrechtler, die ihre Informationen von den üblichen Verdächtigen des politisch-korrekten Konsensjournalismus beziehen. Die grosse Masse der Bundesbürger hat auch eine durch mediale Gleichschaltung zerebral implementierte detaillierte Kenntnis über die großen und kleinen Zusammenhänge um den Kriegseintritt (Kein Blut für Öl, Wollte seinen Vater rächen, Gelogen über Massenvernichtungswaffen, War is not the answer). Ich möchte gar nicht auf die „menschlichen Schutzschilde“ zu sprechen kommen, die, so meine Einschätzung, beim Anketten an ein Dixi-Klo mehr für die Menschheit getan hätten, als bei dem Versuch, das Saddam-Regime zu schützen.

Es fällt dieser Klientel in ihrer Unfehlbarkeit schwer, bestimmten Tatsachen in die Augen zu sehen. Hier soll nur ein kleines bißchen historische Aufklärung betrieben werden.

1. Der amerikanische Kongreß hat den US-Präsidenten im Herbst 2002 in einer Resolution (Public Law 107 – 243 – Authorization for Use of Military Force Against Iraq Resolution of 2002) ermächtigt, das Saddam-Regime mit militärischer Gewalt zu beseitigen. Entgegen der Folklore der Meinungsführer hierzulande gab diese Resolution nicht einen Grund (Massenvernichtungswaffen), sondern 22 (in Worten: zweiundzwanzig) Gründe an, die den Einsatz von Gewalt rechtfertigten. Die Resolution wurde in beiden Kammern des Kongresses mit großer Mehrheit verabschiedet. Im Repräsentantenhaus mit 296 zu 133 Stimmen und im Senat mit 77 zu 23 Stimmen.

2. Das Who is Who der Demokraten hat für diese Resolution gestimmt. Wer es nicht wahr haben will, mag dies durch Anklicken der Links überprüfen. Nachstehend ein Auszug aus der Rede der jetzigen Aussenministerin Hillary Clinton zur Begründung ihrer Ja-Stimme, die sie „mit Überzeugung“ abgegeben habe:

„It is clear, however, that if left unchecked, Saddam Hussein will continue to increase his capacity to wage biological and chemical warfare, and will keep trying to develop nuclear weapons. Should he succeed in that endeavor, he could alter the political and security landscape of the Middle East, which as we know all too well, effects American security.“

3. Wenn man seine Augen vor den Fakten nicht vorsätzlich verschließt, kommt man nicht daran vorbei festzustellen, daß sich die „Lügen“ der Bush-Administration über die von Saddam ausgehenden Gefahren in keiner Weise von den entsprechenden Äußerungen vorangehender demokratischer Administrationen unterscheiden. Für die moralischen Instanzen der deutschen und europäischen Politik und unserer Medien mag es schwer erträglich sein, das fest betonierte Weltbild durch ein paar Sätze aus der „State of the Union Adress“ von Präsident Bill Clinton aus dem Jahre 1998 beschädigen zu lassen. Bush hat nie etwas über Massenvernichtungswaffen gesagt, was Clinton nicht zuvor ebenfalls gesagt hätte. Und ich unterschreibe jedes Wort, das Clinton hier spricht:

„Together we must also confront the new hazards of chemical and biological weapons, and the outlaw states, terrorists and organized criminals seeking to acquire them. Saddam Hussein has spent the better part of this decade, and much of his nation’s wealth, not on providing for the Iraqi people, but on developing nuclear, chemical and biological weapons and the missiles to deliver them. The United Nations weapons inspectors have done a truly remarkable job, finding and destroying more of Iraq’s arsenal than was destroyed during the entire gulf war. Now, Saddam Hussein wants to stop them from completing their mission. I know I speak for everyone in this chamber, Republicans and Democrats, when I say to Saddam Hussein, ‚You cannot defy the will of the world‘, and when I say to him, ‚You have used weapons of mass destruction before; we are determined to deny you the capacity to use them again.'“

Der Irak unter Saddam war ein Konzentrationslager über der Erde und ein Massengrab darunter.

Saddam an der Macht zu belassen hätte bedeutet, die unvorstellbaren Grausamkeiten, die er an seiner Bevölkerung beging, zu tolerieren. Rüstungswettlauf bis hin zu Nuklearwaffen, Weitergabe von Massenvernichtungswaffen oder des Know Hows an Terror-Netzwerke, das systematische Sabotieren von Frieden in der Region oder zwischen Israel und den Palästinensern. Aber die europäischen Eliten heben, belehrend und herablassend, den moralischen Zeigefinger. Mehr vermögen sie nicht. Und mehr haben sie auch, in Zusammenwirken mit der UN, nicht vermocht, als eine Flugstunde von München, in Srebrenica, der erste Völkermord auf europäischem Boden seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges stattfand. „Nie wieder“ riefen sie dann bei der nächsten Rede, in der die moralische Überlegenheit von Europas „soft power“ gepriesen wurde. „Nie wieder“.

Das Alte Europa will es halt nicht lernen. „Nie wieder“ rufen und Präsident Bush dafür kritisieren, daß er ein Volk von einer Bestie befreit hat.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2010

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Kommentare

  1. crackerjack

    @chaim

    Du fantasierst wieder chaim. Die us vermochte nicht mal den militärisch gebrochene,gesellschaftlich und wirtschaftlich gelähmte, völlig isolierte iraq bis heute auch nur annähend in den griff zu bekommen. Und da traümst du von ein angriff auf regionalmachta iran und der gesamte shiitischen halbmond zwischen afghanistan und den jordan? Die neocons mögen fahrläßig und überheblich vorgegangen sein, aber ein selbsterhaltungs trieb besaßen auch sie !!

  2. Thilo Schmidt

    Zwei Anmerkungen zu Ihrem Text, Herr Steinhöfel:
    1. Wahrscheinlich werden Sie mir zustimmen, dass es bei den Gründen für militärisches Zuschlagen nicht auf die Anzahl ankommt („in Worten: zweiundzwanzig“), sondern auf die Qualität. – Die Nennung der bloßen Anzahl der Gründe, die in der Kongress-Resolution von 2002 aufgeführt wurden, ist also eine matte Angelegenheit und alles andere als eine wuchtige Entgegnung.
    2. Es ist eine Sache, dass Sie an dem regime change im Irak etwas Positives entdecken können (ein Volk wurde von einer „Bestie“ befreit). Etwas ganz anderes sind die Gründe, die die USA zu diesem Schritt bewogen haben. Dass es nicht darum ging, den Irakern einen blutrünstigen Diktator vom Halse zu schaffen – ja, dass es darum gar nicht gegangen sein KANN -, ist bereits mit kursorischen Kenntnissen der US-amerikanischen Außenpolitik der letzten 65 Jahre leicht aufzuzeigen: Chiang Kai-shek, Rafael Trujillo, Haji Mohamed Suharto, Mohammad Reza Pahlewi, Efraín Ríos Montt … – die Reihe ließe sich fortsetzen – lauter staatliche Machthaber, die ihre Bevölkerung nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst haben und die sich guter bis ausgezeichneter Beziehungen zu den USA erfreuten. – Und nein, das waren keine „Fehler“ US-amerikanischer Regierungen wie sich Neo-Conservatives in ihrem unverwüstlichen Glauben an die zumindest prinzipielle moralische Überlegenheit ihrer Nation so gerne einreden – die jeweiligen Entscheidungsträger in Washington waren vielmehr Realisten: Sie wussten, dass die unhinterfragbare Gültigkeit US-amerikanischer Ansprüche und Interessen auch noch in Persien und auf den Sunda-Inseln daran geknüpft war, dass es vor Ort pro-amerikanische Machthaber gab, die aus eigenem politischen Interesse bereit waren, diese Ansprüche gegebenenfalls auch mit dem großdimensionierten Einsatz von Gewalt gegen Teile der eigenen Bevölkerung durchzusetzen; und genau dafür, für diese Leistung der Herstellung und Absicherung von politischen und ökonomischen Verhältnissen, wie man sie in Washington forderte, wurden sie von den USA protegiert. – DAS ist schon der ganze Unterschied etwa zwischen dem Märchenprinzen und Freund des Westens Reza Pahlewi und dem Glaubensfanatiker und Menschenschinder Chomeini: Der eine ließ nicht zuletzt für US-amerikanische Interessen foltern und töten, der andere tat das auf eigene Rechnung und in betonter Opposition zu US-amerikanischen Ordnungsvorstellungen für den Nahen und Mittleren Osten … (Dass auch Sadam Hussein lange Zeit in dieser Reihe US-protegierter „S.O.B.s“ stand – lange Jahre, in denen er sich mit seinem opferträchtigen Wüten keineswegs unmöglich gemacht hätte -, soll hier nur am Rande erwähnt werden).
    Die Vorstellung, dass es den USA im Irak darum gegangen sei, die Bevölkerung von einem Diktator zu befreien, lässt sich also recht einfach als das erkennen, was sie tatsächlich ist: Das höhere, moralisch unbedenkliche Weiß-Warum für einen Krieg, der aus ganz anderen Gründen geführt wurde. Wie sehr es dabei um eine möglichst unbefleckte politmoralische Weste der Großmacht und ihrer coalition of the willing und wie wenig es um die Leute im Irak geht, ist auch offensichtlich: Viele derjenigen, die auch Jahre danach noch den Irak-Krieg als so etwas wie einen größer angelegten Tyrannenmord feiern, interessieren sich auffallend wenig dafür, ob das Leben und Überleben der Bewohner des Iraks durch den regime change wirklich sicherer oder weniger gewalttätig geworden ist.

    P.S.: Wenn Sie Sich mal gruseln wollen, dann sollten Sie Sich zu Gemüte führen, mit welchen Worten Ronald Reagan seinerzeit den Maya-Schlächter Ríos Montt über den grünen Klee gelobt hat. – Aber das wäre wahrscheinlich ein bisschen zu viel für Sie mit Ihrer unerschütterlichen Parteilichkeit für freedom & democracy made in USA …

  3. Das Einzige, was ich am Irak-Krieg zu kritisieren habe, ist, daß er nicht gleich gegen den Iran geführt wurde…

    Und es war natürlich äußerst dumm, die Sache nicht bereits 1990/91 zu Ende zu bringen.

  4. crackerjack

    den krieg haben weder die clintons noch bush durchgezogen. Die architekten waren cheeny, wolfowitz, pearl und rumsfeld. der plan den iraq zu überfallen und mit dessen öl die kosten zu decken ist aber nicht aufgegangen. Iraq ist nicht bushs, sonder supermacht amerikas waterloo.

  5. Dox

    jolly rogers,

    schon vom Schottern zurück? Stuttgart 21 wartet wieder auf dich. Aber wasch mal dein verschwitzes Pali Halstuch.

  6. jolly rogers

    steinhöfel, du kannst dir den ganzen dreck in die….(edited)…. schmiern falls es solche gibt. es spielt keine rolle, wer was wann warum getan hat. fakt ist: gwb war ein idiot, ist ein idiot und wird einer bleiben. ob’s dir passt oder nicht.

  7. Antiantibushist

    Herr Steinhöfel,
    das ist lieb von Ihnen. Nützt aber leider hierzulande nichts (mehr). Die meisten Deutschen, jedenfalls die mit der Lizenz zum Publizieren, haben in ihre Festplatte für alle Zeiten eingebrannt, daß Bush junior der dümmste Mensch aller Zeiten ist und daß der Irak-Krieg ganz, ganz dumm war. Da nützt es auch nichts, mit sowas wie ekligen Fakten zu kommen. Etwa, daß ein wichtiger Hinweis auf Massenvernichtungswaffen im Irak damals ausgerechnet vom deutschen BND stammte o.ä. Aber ich finde es dennoch löblich, daß Sie sich die Mühe machen. Und die „Sie sind aber genau so dumm ge-brainwashed“-Rufe ertragen, die Sie nun unbarmherzigbtreffen werden. Vielen Dank. Ein Antiantiamerikanist

  8. >>“Nie wieder” rufen und Präsident Bush dafür kritisieren, daß er ein Volk von einer Bestie befreit hat.<<
    Nee: Sie rufen „Nie wieder“, sind aber beleidigt und empört, wenn das jemand ernst nimmt und danach handelt.

  9. Alexander Baumgarten

    Nach wie vor ungeklärt: Wo ist das chemische Waffenarsenal verblieben, daß Saddam Hussein sowohl gegen den Iran, als auch gegen die eigene kurdische Bevölkerung eingesetzt hat und dessen Verbleib von der Irakischen Regierung gegenüber der UN niemals offengelegt wurde. Die Firma Wikileaks könnte sich hierzu mit der Veröffentlichung der entscheidenden, geheimen Unterlagen der Direction centrale des renseignements généraux um die geschichtliche Aufarbeitung der Jahre 2002-2003 wirklich sehr verdient machen.