netzpolitik.org – Justizminister muss über Gewaltenteilung belehrt werden

Generalbundesanwalt Harald Range hat nicht das Erscheinungsbild eines obersten Strafverfolgers, vor dem die organisierte Kriminalität in Panik geraten könnte. Er wirkt wie ein mausgrauer Bürokrat, der seine Bestimmung im Abfertigen von Bussgeldbescheiden gefunden hat. Dass man ihn überhaupt öffentlich zur Kenntnis nimmt, hat er der NSA zu verdanken. Genauer: Dem Umstand, dass das Handy der Kanzlerin abgehört worden sein soll und er nicht SWAT-Teams aussendet, die US-Geheimagenten verhaften, in orange Overalls stecken und an Christian Ströbele ausliefern. Eine unappetitliche Populismuswelle erbrach sich in Sachen NSA über Deutschland. Politiker der zweiten und dritten Reihe warfen sich im Kampf gegen den Ami todesverachtend in Positur. Und auch die Kanzlerin („Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“) und ihr Regierungssprecher („Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg.“) traten mit Äusserungen hervor, die besser unterblieben wären. Jedenfalls dann, wenn man weiss, das Geheimdienste gelegentlich auch abhören. Und man kann die Amerikaner, nachdem eine Zelle der 9/11-Attentäter in Hamburg unbehelligt planen konnte, vielleicht auch noch verstehen.

Wer sich hier über Range empörte, tat dies entweder aus Kenntnislosigkeit hinsichtlich der Möglichkeiten, die ein Generalbundesanwalt überhaupt hat. Oder, und das darf man bei gewählten Abgeordneten in jedem Falle unterstellen, wissend, dass Range gar nicht so kann, wie er vielleicht gerne möchte. Denn er ist in seinem Tun nicht unabhängig. Auch der oberste Strafverfolger der Republik ist, wie jeder Staatsanwalt in Deutschland, der verlängerte Arm der Politik. Es ergeht ihm nicht besser als einem Ankläger in der Provinz, der von seinem jeweiligen Landes-Justizminister gegängelt werden kann. Für den Bundesjustizminister ist der Generalbundesanwalt nur ein nachgeordneter Beamter, der parieren muss.

Hat irgendjemand Zweifel daran, dass Range in Sachen NSA und dem Abhören von Merkels Handy bis ins Kleinste angewiesen wurde, wie er zu verfahren habe? Intern am ganz kurzen Gängelband, extern der Prügelknabe verlogener Politiker.

In Zusammenhang mit dem „Skandal“ um den Blog netzpolitik.org, der geheime Unterlagen des Verfassungsschutzes veröffentlich hat, ist Range jetzt der Kragen geplatzt. Und zwar völlig zurecht.

Es ist völlig legitim und möglicherweise sogar berechtigt, wenn Verfassungsschutzpräsident Maaßen Anzeige erstattet, wenn geheime Dokumente seiner Behörde öffentlich werden. Vielleicht muss er dies sogar tun. Die Staatsanwaltschaft prüft den  Vorwurf und leitet u.U. Ermittlungen ein. Wenn die Ermittlungen nicht eingestellt werden, entscheidet am Ende ein Gericht, ob eine Strafbarkeit vorliegt. Gegen diese Entscheidung gibt es in aller Regel noch Rechtsmittel.

Den vorliegenden Fall mit der „Spiegel“-Affäre zu vergleichen, ist wohl dem Sommerloch geschuldet.

Schwerwiegender allerdings ist der brutale Eingriff der Politik in die Gewaltenteilung. Die Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte mag in Ausnahmefällen von höherem nationalen Interesse ihre Berechtigung haben. Sie hat es in Petitessen wie der vorliegenden keinesfalls.

Und daher verdient Range hier Respekt, wenn er sich seinen Dienstherren, Justizminister Heiko Maas, vorknöpft und einen „unerträglichen Eingriff“ der Politik in die Unabhängigkeit der Justiz beklagt.

„Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis politisch nicht opportun erscheint“, sei nicht hinzunehmen. „Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Dieses Freiheitsrecht gilt aber auch im Internet nicht schrankenlos. Es entbindet Journalisten nicht von der Einhaltung der Gesetze. Über die Einhaltung der Gesetze zu wachen, ist Aufgabe der Justiz. Diese Aufgabe kann sie nur erfüllen, wenn sie frei von politischer Einflussnahme ist. Daher ist die Unabhängigkeit der Justiz von der Verfassung ebenso geschützt wie die Presse- und Meinungsfreiheit.“

So ist es.

Maas, der jetzt dasteht, wie ein gemaßregelter Schuljunge, kann Range ohne Angabe von Gründen in den vorzeitigen Ruhestand schicken. In einer Bananenrepublik würde das geschehen. In unserem Rechtsstaat auch?

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2015

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Kommentare

  1. Onkel Dapte

    Eric Fuhro,
    Sie irren sich. Staatsanwälte sprechen Recht, zumindest in Hannover. Folgende Ausführungen stammen aus der HAZ:
    Die Geschichte spielt im muslimischen Zuwanderermilieu. Ein Mann dringt mit Begleitern unter Gewaltanwendung in eine Wohnung in Döhren ein. Er nimmt ein Messer aus der Küche und ersticht den Wohnungsinhaber. Der Grund für die Tat ist unbekannt, vermutlich ging es um Drogengeschäfte.
    Der ermittelnde Staatsanwalt stellt das Verfahren ein. Seine Begründung: Es ist nicht zweifelsfrei beweisbar, daß der Täter nicht in Notwehr gehandelt hat.
    So klingt ein Richter, nicht ein Staatsanwalt. Er hat ein Urteil vorweggenommen, das dem Richter zugestanden hätte.
    Merke: In Hannover kann man gewaltsam in eine Wohnung einbrechen und den Inhaber töten, ohne überhaupt angeklagt zu werden.

  2. Eric Fuhro

    Sehr geehrter Herr Steinhöfel,

    leider gehen Sie in Ihrem Artikel von zwei falschen Voraussetzungen aus.

    1. Die Unabhängigkeit der Justiz. Nicht die Justiz ist unabhängig, sondern die Richter sind es! Zur Justiz gehören auch alle Justizbediensteten und auch die Staatsanwaltschaft. Die Judikative als eine der drei Gewalten, besteht nur aus der rechtsprechenden Gewalt. Und diese besteht nun einmal aus Richtern. Staatsanwälte sprechen kein Recht.

    Und dies führt zum zweiten Aspekt.

    2. Die Einordnung der Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist weder unabhängig, noch gehört Sie der Judikative an. Die Staatsanwaltschaft ist ein Teil der Exekutive.

    Es wäre sicher besser, wenn dies nicht so wäre. Aber die staatsrechtliche Zuordnung der Staatsanwaltschaft ist ‚leider‘ eindeutig.

    Abschließend darf ich auch noch darauf hinweisen, dass die Landesjustizminister eben nicht immer auf einzelne Strafverfahren und Staatsanwälte Einfluss nehmen. Die ‚kleinen‘ Staatsanwälte sind keine politischen Beamte, wie Generealstaatsanwälte es sind. Insofern gibt es keine Parallele zu diesem Fall, auch wenn Sie dies so darstellen.

    Damit keine Missverständnisse entstehen, ich bewerte und sehe die Ermittlungen des Generalbundesanwalts als eher kritisch. Vorsichtig formuliert, derartige Ermittlungen sind eher ungeschickt. Dennoch sollte man einfach mal Ermittlungen abwarten. In der Diskussion herrscht eine Bigotterie vor. Einerseits möchte man die nicht vorhandene Unabhängigkeit der Bundesanwaltschaft verteidigen. Und andererseits ist man gegen die geführten Ermittlungen. Ja was denn nun? Soll die Staatsanwaltschaft unabhängig ermitteln können oder soll je nach Belieben von außen Einfluss genommen werden?

    Mit besten Grüßen

    Eric Fuhro