Warum wir wegen der Hessenwahl Strafanzeige erstattet haben

Von Joachim Nikolaus Steinhöfel und Ramin Peymani

Eine Anfrage bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft vom 13.11.2018 hat ergeben, dass bis zu diesem Zeitpunkt wegen der in den Medien umfangreich berichteten zahlreichen Vorfälle in Zusammenhang mit der Landtagswahl in Hessen 2018 noch keine Strafanzeige und kein Strafantrag gestellt wurde. Daher haben wir, der für die FDP im Kreistag des Main-Taunus-Kreises wirkende Ramin Peymani und der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, heute Strafanzeige wegen Wahlfälschung bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt erstattet. Und zwar sowohl gegen Unbekannt wie gegen die namentlich verantwortlichen Wahlleiter.

Die Anzeigeerstatter hätten gerne denjenigen Personen den Vortritt gelassen, in deren Verantwortungsbereich die rechtmäßige und richtige Auszählung der Stimmen gehört und die diese auch gegenüber dem Wähler zu verantworten haben. Wir erachten es als verwunderlich, dass Landeswahlleiter Dr. Wilhelm Kanther diesen Schritt noch nicht gegangen ist.

Aus unserer Sicht besteht ein überragendes öffentliches Interesse daran, ohne einen auch nur geringen Restzweifel sicherzustellen, dass den zahlreichen „gravierenden Wahl-Pannen“ (Frankfurter Neue Presse vom 08.11.2018), und zwar in keinem einzigen Wahlkreis, ein strafrechtliches Fehlverhalten zugrunde lag. Das Vertrauen der Bürger in die Glaubhaftigkeit und Integrität der Stimmenauszählung halten wir für erschüttert. Darunter leidet auch die Stabilität unserer Demokratie und die der gewählten Repräsentanten der Bevölkerung.
Erhebliche Asymmetrie der aufgetretenen Fehler

Der Verdacht einer Straftat lässt sich im Unterschied zu flächendeckender Schlamperei direkt aus der erheblichen Asymmetrie der aufgetretenen Fehler zu Lasten bestimmter Parteien (CDU, FDP, AfD) ableiten. Diese Asymmetrie ist die Tatsache, welche die Annahme eines Vorsatzes der handelnden Personen rechtfertigt und damit die Aufnahme von Ermittlungen erforderlich macht.

Laut Presseberichten mussten allein in Frankfurt in sage und schreibe 88 der insgesamt 490 Wahlbezirke Korrekturen vorgenommen werden. In einem Wahlbezirk in Sachsenhausen holte die CDU zunächst nur 6,9 Prozent – nach Korrektur wanderten dann 100 Stimmen von den Grünen zur CDU. Ein „Kommunikationsfehler“ habe vorgelegen. Aber wenn es sich immer „nur“ um Pannen gehandelt hat, müssten ja alle Parteien mehr oder weniger gleichermassen davon betroffen sein. Es wird daher spannend sein, landesweit die korrigierten Wahlbezirke dahingehend auszuwerten, ob sie auch zu einer Benachteiligung der Grünen führten.

Aber nicht nur die direkte Wahlfälschung ist eine Straftat, sondern auch die Weitergabe unrichtiger Ergebnisse. Die im Bericht der Frankfurter Rundschau vom 08.11.2018 getroffenen Aussagen der Verantwortlichen erfüllen unseres Erachtens bereits diesen Tatbestand. Laut dem Leiter der Geschäftsstelle Wahlen, Hans-Joachim Grochocki, habe man das Ergebnis wegen fehlender Zahlen in einer Reihe von Wahllokalen nur schätzen können und sich dabei an den benachbarten Wahlreisen orientiert. Die Kreiswahlleiterin Regina Fehler rechtfertig das damit, dass man „gezwungen“ gewesen sei, dem Landeswahlleiter ein Ergebnis zu liefern. Dieser bedauerte, dass es für Schätzungen keine Regeln gäbe.

Selbstverständlich gibt es für Schätzungen von Wahlergebnissen keine Regeln, denn Wählerstimmen müssen ausgezählt werden! Alles andere ist eine elementare Missachtung der Grundsätze des allgemeinen und gleichen Wahlrechts. Liegen Ergebnisse noch nicht vor, können sie eben nicht übermittelt werden, und alle Beteiligten müssen sich gedulden, bis dies der Fall ist. Sich dem politischen oder zeitlichen Druck zu beugen, der mit Blick auf eine rasche Ergebnisverkündung eventuell von Seiten der Landesregierung oder einzelner Parteien ausgeübt wird, bedeutet die Axt an die Wurzel der Demokratie zu legen.

Soweit uns, aus welcher Quelle auch immer, zuverlässig Informationen über die Vorgänge erlangen, werden wir diese prüfen und gegebenenfalls zur Akte nachreichen.

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Kommentare

  1. Hans J. Wieschollek

    Ja, wir haben eine erprobte Demokratie, da wird nicht für irgendeine Partei, Partei ergriffen, nein, da schätzt man, denn das ist neutral und dem Zufall überlassen!Dem Zufall müssen sich alle beugen, dass ist wieder demokratisch, weil es alle betrifft! Dass kann man sogar in der Schule verbreiten, denn beim Zufall muss man nicht rechnen, einem Fach, dass auch nicht so spannend ist und daher nicht so sehr Anwendung findet! Also wieso zählen? Das ist doch sehr rückständig und wenn es vorgeschrieben sein sollte, dann ist das im digitalen Zeitalter sowie überholt! Wieso soll man als Demokrat fassungslos sein? In anderen Bereichen unseres Staates, besonders bei den verschiedenen Ministerien wird doch schon immer geschätzt. Merke:“Je planvoller man vorgeht, desto wirkungsvoller trifft einem der Zufall!“Ach, was können wir doch so froh sein, in einem total demokratischen Land zu leben!

  2. Michael Obermaier

    ist ja schon ne Weile her, was ist denn aus der Sache geworden?

    Antwort: Das Verfahren liegt nach wie vor bei der Staatsanwaltschaft. Uns sind deren zwischenzeitliche Aktivitäten nicht bekannt, eingestellt wurde das Verfahren allerdings ebenfalls nicht.

  3. asisi1

    In Deutschland wurde, in den letzten 70 Jahren, das selbstständige Denken und Handeln aberzogen. Also ist es für mich schier unmöglich, dass die Wahl-Helfer und Zähler aus eigener Motivation heraus, die Zahlen geschätzt haben. Sie haben sicherlich auf Weisung von höheren Stellen reagiert. Wer immer noch an korrekte Wahlen in Deutschland glaubt, der sollte dazu in die Kirche gehen!

  4. Alter Frankfurter

    Großartig, Herr Steinhöfel, daß Sie den von der Presse verbreiteten Euphemismus über „Kommunikationsfehler“ und „Auszählungspannen“ in Summe als beabsichtigte Manipulation daran interessierter Kreise identifizieren, welche sich offenbar zu einem nicht unerheblichen Teil wohl deswegen als Wahlhelfer verdingt haben, um die zu erwartenden, erdrutschartigen Verluste ihrer bevorzugten Partei(en) wenigstens kosmetisch aufzufangen.

    Das ist jedoch nicht alles : Ganz besonders sauer aufgestoßen sind mir Bemerkung von Beteiligten über „Schätzungen“, die bei Wahlauszählungen „üblich“ wären.

    Insofern sind auch Zweifel an weiteren, zurückliegende Wahlen bzw. deren Ergebnisse zu erheben, da nach Wahlgesetz auszuzählen und nicht zu „schätzen“ ist.

    Für den schon jetzt eingetretenen Flurschaden, nämlich zu erwartender, künftiger WahlVERWEIGERUNGEN von Berechtigten, werden sich – darüber hinaus – Betreffende ebenfalls zu verantworten haben.

  5. Joachim Kurt

    Cui bono?
    Nicht nur in Frankfurt wurden „Ergebnisse vertauscht, Zahlen verdreht, Stapel vergessen“, „in einigen Bezirken (sogar) Ergebnisse geschätzt“ .
    „Auch in anderen Bezirken gibt es Auffälligkeiten.“ (FAZ, WOL)
    Nicht wer wählt zählt, sondern wer zählt zählt.
    Germany going Bananas.

  6. J.Schuster

    Wo sind eigentlich die Wahlbeobachter der OSZE , wenn man sie braucht ? Ach ja : die Hand , die einen füttert , beißt man nicht .