Anmerkungen zur Piraterie

USS Bainbridge (DDG-96)

USS Bainbridge (DDG-96)

Von Aufspüren und Ausräuchern bis zu Mitgefühl für die mißlichen Lebensumstände  der geiselnehmenden Erpresser reichen die Reaktionen auf die drastische Gefährdung des internationalen Schiffsverkehrs vor der Küste des anarchischen Somalias.

Piraten haben vor der Küste Somalias den, inzwischen befreiten, amerikanischen Kapitän eines Schiffes unter amerikanischen Flagge als Geisel genommen und die erste außenpolitische Herausforderung für die Obama-Administration verursacht.

Die Piratenangriffe vor der Küste Somalias haben sich von 2007 bis 2008 mehr als verdoppelt. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben die Piratenbanden allein im letzten Jahr zwischen $25 und $ 30 Millionen an Lösegeld erpresst. Mehr, als man zum Überleben in dem in Auflösung begriffenen Land braucht. Etwa 300 Seeleute werden als Geiseln gehalten, mehrere sind ums Leben gekommen. Zuletzt am vergangenen Freitag, als die französische Marine eine gekaperte Yacht befreite, wobei eine Geisel getötet wurde.

Artikel 110 der UN-Seerechtskonvention, von den meisten Nationen, nicht jedoch von den USA ratifiziert, versagt Kriegsschiffen die Möglichkeit, Piratenschiffe unter Feuer zu nehmen. Stattdessen hält die Vorschrift sie an, einen Emissär auf das verdächtige Schiff zu entsenden um nachzufragen, ob es sich bei den Piraten tatsächlich um Piraten handelt.

Zu diesem Zweck kann es (das Kriegsschiff) ein Boot unter dem Kommando eines Offiziers zu dem verdächtigen Schiff entsenden. Bleibt der Verdacht nach Prüfung der Dokumente bestehen, so kann es eine weitere Untersuchung an Bord des Schiffes vornehmen, die so rücksichtsvoll wie möglich durchzuführen ist.

Wie vieles, was die UNO ersonnen oder verabschiedet hat, sinnvoll, durchdacht und effizient.

Der renommierte britische Militärhistoriker John Keegan plädiert im „Telegraph“ für eine etwas unnachsichtigere Verfahrensweise:

„Piratenschiffe müssen versenkt werden und die Besatzung muss sich schwimmend in Sicherheit bringen, soweit die Küste in Reichweite ist. Viele würden eine solche Verfahrensweise beklagen, aber Piraten haben, meiner Meinung nach, keine Rechte. Stattdessen ist es von besonderer Bedeutung, Menschenrechtsanwälte von der Anti-Piraten-Kampagne fernzuhalten. Die Gefangenen für Prozesse nach Europa oder in die USA zu bringen hieße, ihnen einen Herzenswunsch zu erfüllen. Nämlich sicheren Zugang zu einem neuen Leben in der Ersten Welt zu erlangen….Wie die IRA werden auch die Piraten nicht verschwinden. Noch können sie wegverhandelt werden. Sie müssen bis zu ihrer Auslöschung gejagt werden – und die Zeit, die Jagd zu starten, ist jetzt“.

Vertreter der Linken weisen hingegen darauf hin, dass die äußeren Umstände eines Lebens in Somalia bei der Bewertung der Gesamtsituation nicht außer Acht gelassen werden dürften.

Danach haben die Somalis erst Zuflucht zur Piraterie gesucht, nachdem ausländische Fischerboote ihre Küstengewässer leergefischt und ihnen somit die Lebensgrundlage entzogen hätten. Angeblich wurde auch Atommüll vor der Küste verklappt und es gibt Berichte über Strahlenkrankeit bei Somalis.

Manche sehen es möglicherweise auch als angemessen an, den einäugigen holzbeinigen Freibeutern die Rechte der US-Verfassung oder der europäischen Menschenrechtskonvention zuzubilligen und den Holzstumpf auf Kosten der Steuerzahler durch eine High-Tech-Prothese zu ersetzen. Vielleicht denkt man dabei zu sehr an Johnny Depp und „Der Fluch der Karibik“ als an die Wirklichkeit.

Tatsächlich wurde die britische Marine von der Regierung ihrer Majestät angewiesen, keine somalischen Piraten gefangen zu nehmen. Denn nach der Menschenrechtskonvention hätte jeder gefangengenommene Pirat in Großbritannien Flüchtlingsstatus, was gleichbedeutend wäre mit dem Empfang von Sozialhilfe für den Rest eines dann sorgenfreien Lebens.

Zur grundsätzlichen Problematik und historischen Präzedenzfällen siehe hier unter „Update“.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009

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Kommentare

  1. Heinrich Bohlen

    John Keegan hat völlig Recht. Piratenboote sollten versenkt werden, aber
    inklusive Besatzung. Die gibt selbst einen Dreck auf Menschenleben.
    Somalia ist bettelarm, das stimmt. Aber das Lösegeld kriegen ja nicht die Piraten und ihre großen Familien, sondern Hintermänner, die in
    Luxusgeschäften afrikanischer Städte shoppen gehen. Versenken und auf
    keinen Fall vor Gericht stellen! Nach der Freilassung bleiben sie als
    gemeingefährliche Verbrecher im jeweiligen Lande.

  2. fred

    ist doch auch logisch das afrikaner mal zurueckschiessen gegen die weissnasen nachdem was die sich so alles ueber sich ergehen lassen mussten in den letzten 100jahren.

    ich hab du null mitleid mit dem weissnasen volk. und wer heute noch dort auf ner kreuzfahrt rumschippert der hat doch eh nichts im koppe.

  3. Steinhöfel

    Sehr geehrter Herr Post,

    ich danke Ihnen für Ihren Kommentar. Es ist völlig zutreffend, was Sie zu den Art, 103, 105 und 107 anmerken. Allerdings sind diese Vorschriften erst einschlägig, wenn er Akt der Piraterie bereits begangen wurde. Besteht lediglich der Verdacht, gilt Art. 110. Wie gehen Sie also vor, wenn Sie ein Schiff mit Bewaffneten vor der Küste Somalias herumfahren sehen, die noch kein Schiff unter ihre Gewalt gebracht haben ? Ein weiteres Problem ist, daß die Vorschriften nicht in den zum Hoheitsgebiet von Somalia gehörenden Gewässern einschlägig sind. Zwar ist es sicher zutreffend, daß auch diese Gewässer „keiner staatlichen Hoheitsgewalt unterstehen“. Aktuell gibt es als Behelf eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, die die Verfolgung in somalische Küstengewässer gestattet. Die Piraten in den USA oder Europa vor Gericht zu stellen, ist sicher ebensowenig wünschenswert und völlig unpraktisch. Wie zuvor angemerkt, wurde die Königlichen Marine Englands von britischen Außenministerium vor solchen Schritten gewarnt.

  4. Steffen Post

    Sehr geehrter Herr Steinhöfel,

    der in Ihren „Anmerkungen zur Piraterie“ angesprochene Artikel 110 der UN Seerechtsübereinkommen ist meines erachtens in dem oben genannten Zusammenhang nur bedingt einschlägig. Er greift laut Artikel 110, Abs. 1 nur ein, wenn ein Kriegsschiff ein fremdes Schiff stoppen will und keine andere (!) vertagliche Grundlage zum Eingreifen hat.
    Eine solche Befugniss findet sich für den Bereich Piraterie schon in Artikel 105, in Verbindung mit Artikel 107 UN Seerechtsübereinkommen. Demnach kann, u.a. in internationalen Gewässern, ein Kriegsschiff eines Staates ein Seeräuberschiff aufbringen und die darauf befindlichen Personen festnehmen, welche dann auch von den Gerichten besagten Staates bestraft werden können.
    Wichtig ist dabei, daß es sich um ein Seeräuberschiff (zur Definition siehe Art. 103 i.V.m. Art. 101 UN-Seerechtübereinkommen) handelt. Ist dieses zweifelhaft, so greift der von Ihnen zitierte Art.110 und das Schiff kann durchsucht werden um den Verdacht zu erhärten. Allerdings kann ich mir kaum vorstellen, daß solche Zweifel anzunehmen sind, wenn die Piraten auf frischer Tat betroffen werden, beziehungsweise bereits Angriffe durchgeführt haben und sich auf der Flucht befinden, Waffen zeigen oder sich anderweitig bereits klar zu erkennen gegeben haben.

    Mit freundlichen Grüßen

    S.P.