Erdogan demütigt Mutti

„Niemand, in dessen Adern das Blut dieser Nation fließt, kann diese Nation mit dem sogenannten Völkermord beschuldigen.“ So sieht es der türkische Staatspräsident Erdogan und verlangte im gleichen Atemzug einen Bluttest von den türkischstämmigen Abgeordneten des deutschen Bundestages („Ach was, Türke. Ihr Blut sollte einem Labortest unterzogen werden.“). Es wird die angesprochenen Parlamentarier schmerzen, dass Menschen wie sie, „Leute mit so verdorbener Muttermilch, mit so verdorbenem Blut niemals die türkische Nation repräsentieren“ können. Zur Abrundung seiner Einlassungen stellte Erdogan die Abgeordneten dann noch auf eine Stufe mit Terroristen.

Ist es, selbst wenn man Verständnis dafür aufbringt, dass Kanzlerin Merkel den Konflikt mit der Türkei aus politischem Opportunismus beilegen möchte, ausreichend, wenn alles, was sie darauf zu erwidern vermochte, ein leises Piepsen war, sie hielte die „Vorwürfe und Aussagen“ für „nicht nachvollziehbar“.

Oder ist es doch beschämend, wenn selbst ein überbezahlter Grüßaugust wie der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz (er möchte gerne Kanzlerkandidat werden) klarere Worte fand. Einzig angemessen war die glasklare Stellungnahme von Parlamentspräsident Lammert (er möchte gerne Bundespräsident werden), der Erdogangs Stochern in der Eugenik „im 21. Jhdt…nicht für möglich gehalten“ hätte.

Große Teile der kanzlerinnentreuen Presse riss es bei diesen Worten förmlich aus den Sitzen. Nicht wegen Lammerts Rede, sondern offenbar um das Komplettversagen der mächtigsten Frau der Welt zu kaschieren. Denn: „Die Kanzlerin goutierte den Auftritt des Bundestagspräsidenten mit großem Applaus…Deutlicher konnten die Kanzlerin und ihr Kabinett kaum unterstreichen, dass sie im verbalen Schlagabtausch mit dem türkischen Präsidenten keine Spaltung zwischen Regierung und Bundestag zulassen werden“, fabulierte die „Süddeutsche Zeitung“ über das träge Patschen Merkels (hier ab 0:43 anzusehen)

Dass Merkel sich und Deutschland mit ihrer „Flüchtlingspolitik“ in eine hochproblematische Situation hineinregiert hat, ist oft genug thematisiert worden. Dass sie die Drecksarbeit, den Flüchtlingsstrom zu stoppen, jetzt an den Autokraten vom Bosporus auslagert und damit erpressbar geworden ist, ebenfalls. Schmallippig und traditionell die Mundwinkel nach unten ziehend Mitglieder des Deutschen Bundestages von dem wildgewordenen Kläffer vom Bosporus besudeln zu lassen, ohne ganz deutlich zu werden, stellt aber eine völlig neue Qualität des Versagens der „Mutter der Nation“ dar.

Hat Angela Merkel tatsächlich Werte, für die sie kompromisslos einstünde und den Mut, dessen es Bedarf, um die Interessen dieses Landes und seiner Bürger zu verteidigen? Man darf daran zweifeln. Ihr Partner vom Bosporus hat, weil vorangegangene Entgleisungen völlig folgenlos blieben, hinsichtlich der Armenien-Resolution und der Reaktion der Türkei darauf gestern noch einmal nachgelegt:

„Es wird sich jetzt einiges ändern in den Beziehungen. Nichts wird mehr wie es einmal war. In Deutschland leben rund 3,5 Millionen Türken. Und wir werden die nächsten Schritte jetzt genau wählen.“ (Das Zitat stammt aus dem „heute-journal“ vom 09.06.2016).

Es ist der vorletzte Satz, der mich nachdenklich macht. Klingt er doch wie die Ankündigung der Mobilmachung von knapp 5% von Deutschlands Bevölkerung.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2016

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