McCain – Obama v2.0

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Die gestrige, zweite Präsidentschaftsdebatte habe ich live vor dem Fernseher in New York verfolgt. Das Format sollte den sogenannten townhall-debates entsprechen, bei denen Wähler Fragen und Nachfragen in beliebiger Reihenfolge stellen können und die nicht an formale Vorgaben gebunden sind.

Die Debatte war von seiten der Organisatoren ein völliger Fehlschlag, Moderator Tom Brokaw eine Katastrophe. Keine Debatte, kein Schlagabtausch, keine überraschenden Fragen. Die knapp einhundert Wähler im Publikum lasen ihre vorher zugelassenen Fragen von mit sich geführten Zetteln ab. Das war ungefähr so aufregend wie einer Schildkröte beim Essen zuzusehen.

McCain liegt in den Umfragen klar hinten, was fast ausschließlich der Finanzkrise geschuldet ist. Er hätte einen K.O.-Punch benötigt. Der kam nicht. Er trat gegen einen gut geschulten Schauspieler an, der Fragen nach der Zucht von Zierfischen mit dem gleichen emotionalen Engagement beantworten würde wie die Frage, ob und wie er Israel oder sein Heimatland verteidigen würde. Ein aalglatter, unaufrichtig wirkender Performer, dem ich kein Wort glaube. Phrase auf Phrase seiner teilweise klassenkämpferischen Wahlkampfparolen reihte Obama aneinander. Es war nicht mehr zu ertragen, wenn er jeden dritten Satz damit begann, das die Welt schlecht und George Bush an allem Schuld sei.

McCain war manchmal etwas holprig, wurde aber im Verlauf der Debatte immer besser. Er war authentischer und sachkundiger und gewann fast alle Runden. Es ist allerdings zweifelhaft, ob das genügen wird. Das nun gerade derjenige, der die zweitmeisten Spenden der kollabierten Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac eingestrichen hat und deren Lobbyisten immer noch in seinem Wahlkampfteam sitzen, von der Finanzkrise profitiert, ist ein Treppenwitz der Geschichte. Natürlich spielen auch Gier und mangelnde Transparenz an der Wall Street eine Rolle. Aber jetzt Hoffnung in Obama zu setzen, der schon in Chicago in dubiose und gescheiterte Häuserfinanzierungen und sozialen Wohnungsbau mit inhaftierten Kriminellen verwickelt war, heißt, den Bock zum Gärtner zu machen.

Joachim Nikolaus Steinhöfel 2008

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