Erdogans Coup

Erdogan, Ehefrau Emine. Coup gegen die Gewaltenteilung

Erdogan, Ehefrau Emine. Coup gegen die Gewaltenteilung

„Ich begrüße den Erfolg des Referendums. Die Verfassungsreform ist ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg der Türkei nach Europa.“

Bundesaussenminister Guido Westerwelle am 12.09.2010 zum Ausgang des Verfassungsreferendums in der Türkei.

Eine schwerwiegende Fehleinschätzung des Aussenministers. Und ob es politisch geschickt war, vor dem Hintergrund der gerade in Deutschland geführten Debatte den Weg der Türkei nach Europa zu thematisieren, darf man gleichfalls diskutieren. Eindeutig ist: Westerwelle hat Erdogans Coup nicht durchschaut.

Das Referendum zementiert zunächst die Spaltung der Türkei. Auf der einen Seite der anatolisch-muslimische Block, auf dem die Macht von Erdogans AKP fusst. Von dort gab es deutliche Mehrheiten für das Referendum. Auf der anderen Seite die sekulare, westlich orientierte Elite, die sich ebenso deutlich gegen die Verfassungsänderungen aussprach.

Erdogan und seiner islamistischen AKP den Wunsch nach mehr Demokratie und westlicher Offenheit zu unterstellen, ist naiv. Es geht allein um die vollständige Beherrschung aller Schalthebel der Macht. Das  Referendum räumt der Regierung weitreichende Machtbefugnisse über Militär und Justiz ein, die bisher Bollwerke der Trennung von Religion und Staat waren. Statt 11 wird es am türkischen Verfassungsgericht zukünftig 17 Richter geben. Der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte soll von sieben auf 22 Mitglieder erweitert werden. Entscheidend ist hier, dass diese weiteren Mitglieder beider Organe von der AKP-Mehrheit im Parlament oder vom Staatspräsidenten (Abdullah Gül, AKP) bestimmt werden. Ein Schlag gegen die Gewaltenteilung, die Unabhängigkeit der Justiz und damit gegen die Demokratie in der Türkei. Erinnert man sich daran, dass 2008 in einem Verfahren vor dem Verfassungsgericht eine Stimme für ein Verbot der AKP fehlte, erkennt man die Motivation hinter diesen Verfassungsänderungen und dem „wichtigen Schritt auf dem Weg der Türkei nach Europa“.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2010

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