Die formierte Gesellschaft hat die Wahl

In seinem Meisterwerk „Über die Demokratie in Amerika“ kommt Alexis de Tocqueville zu dem Schluß, dass das Streben nach Gleichheit zu einer Gleichschaltung unter einer starken Zentralgewalt führe. Diese entmündige die Bürger und mache sie vom Handeln der jeweiligen Regierung abhängig. Die Bürger würden des selbständigen Handelns und der Eigenverantwortung entwöhnt. Die Regierung sorge für Sicherheit, sehe die Bedürfnisse der Bürger voraus und befriedige sie. Sie manage alle Details des täglichen Lebens. Tocqueville warnt davor, dass das Streben nach „Gleichheit“ keinen Schutz vor Tyrannei gewähre, sondern vielmehr ehrgeizige und unaufrichtige Politiker begünstige, die antreten, „für Gerechtigkeit Sorge zu tragen“:

„Die erste, ja gewissermaßen die Grundbedingung für die Zentralisation der öffentlichen Gewalt in einem demokratischen Staate ist: die Gleichheit zu lieben – oder sich diesen Anschein zu geben. So vereinfacht sich die bislang so verwickelte Lehre vom Despotismus: sie reduziert sich sozusagen auf ein einziges Prinzip“.

Die bevorstehende Bundestagswahl gibt erneut Anlass, darüber nachzudenken, ob wir tatsächlich eine Wahl haben oder doch nur zwischen Variationen eines einzigen Prinzips entscheiden können. Ein Kommentar:

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© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009

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Kommentare

  1. blackadder

    die diw ist so umstritten, wie forsa und andere. je nachdem, aus welchem politischen lager der wind sich dreht. im großen und ganzen kann man die zahlen als gegeben betrachten.

    das sozialsystem stand auch schon vor der finanzkrise auf dem prüfstand. wenn man jedoch wahlen gewinnen will, läßt man das thema lieber beiseite.

    lieber cracker, ich will dir ja nicht den sozialstaat madig machen. mir scheint aber, dass du hier den sozialstaat mit dem wohlfahrtsstaat verwechselst.

    die verschuldung der bundesrepublik lag 2008 bei ca. 1500 milliarden euro. vor der finanzkrise versuchte man, lediglich die neuverschuldung auf 0 zu senken. nun gut, das war dann nichts, wie wir wissen.
    doch die hauptschulden, bei der die zinsuhr tickt, bleiben hiervon völlig unberührt. dieser berg ist das hauptproblem.

    was macht also ottonormalverbraucher, wenn er einen batzen schulden an der backe hat? richtig! entweder, er leistet einen offenbarungseid (staatsbankrott), oder er reduziert die ausgaben zur tilgung der schulden.
    und da wird alles auf den prüfstand kommen, oder sollte es zumindestens.

    aber, lieber cracker, wir betreiben gerade die kunst der hellseherei. eine äußerst undankbare kunst…

    wir haben vier jahre zeit, zu sehen, wie es nun wirklich kommt.

  2. Crackerjack

    @ Blackadder

    (diw) ist mit aüßerster vorsicht zu behandeln.Hier haben wir es mittlerweile mit eine bertelsman stiftung finanzierte neoliberaler lobbyverein.In deutschland besitzen 10% der bevölkerung 61% des vermögens, 22% leben in armut und bilden zusammen mit den mini und untersten einkommen bald 60%. Der mittelstand bricht seit jahren weg, auch ein folge der agenda 2010 der das vermögen arbeitslos gewordener fachkräfte vernichtet und dank der lohnabwärtsspirale.

    Es ist atemberaubend wie schnell nach dem finanzdesaster wieder der sozialstaat als wurzel allen übels aufgebaut und über die schwächsten der gesellschaft hergefallen wird.

    Meine schwarz-gelber prognose…..senkung der steuern für kapitalgesellschaften, senkung der erbschaftssteuer, senkung der steuern für obere einkommen, geschenke für ärzte, apotheker, rechtsanwälte, pharmaindustrie. Mehrwertsteuer rauf, sozialleistungen radical runter.

  3. blackadder

    @cracker
    da muss ich mich doch wieder einmischen.
    na klar, die ausgaben für die finanzkrise haben die reduzierung der neuverschuldung zunichte gemacht. keine frage. und dass sich einige wie schweine am gratis-buffet benommen haben, steht auch nicht zur disposition.
    aber einige klarstellungen:
    1. den immensen schuldenberg der bundesrepublik haben wir dem luxus zu verdanken, den sozialstaat mehr und mehr ausgebaut zu haben. bis zum exzess. hinzu kam der schuldenturm für die wende.
    schon in den 80ern war es bekannt, dass es bei steigenden ausgaben zu erheblichen verschuldungen kommt. politisch war es aber, und dies ging durch alle parteien, ein tabu, tiefe einschnitte zu wagen. hinzu war es verpöhnt, die beitragssätze der sozialversicherung bis zur deckelung der kosten zu erhöhen.
    schröder wagte einige einschnitte (hartz I – IV), viel zu spät, und wurde dafür prompt bestraft.
    2. die bundesrepublik ist keine „freie“, sondern „soziale marktwirtschaft“.-> Art. 20 Abs.1 GG („sozialstaatsprinzip“)
    3. womöglich musst du einiges über die „schmarotzer-klasse“ erfahren, bevor du sie in den gulag schicken willst.
    laut dem „deutschen institut für wirtschaftsforschung (diw)“ bezahlt das oberste zehntel der einkommensbezieher 55% des gesamten steueraufkommens, 22,2% gehen auf die 1% einkommensreichsten.
    die untere hälfte der steuerpflichtigen zahlt nur 5% des gesamtsteuereinkommens ein. (zahlen von 2008)

    der „freie markt“ steht in der bundesrepublik ja nicht zur disposition. er ist grundgesetzlich ausgeschlossen. dieser staat wird sich zum einem auf die reduzierung der neuverschuldung konzentrieren müssen, und danach auf den abbau des riesigen schuldenbergs. und spätestens hier wird auch(!) der üppige sozialetat auf den prüfstand kommen.
    wir sind halt nicht norwegen. unsere ölfelder sind doch sehr, sehr, sehr übersichtlich…

  4. Andrej

    mal drüber nachdedacht, cracker, wieviel von 754 Mrd. bei den Leistungsempfängern ankommen, Cracker? Das WÄREN ca. 10.000 Eur pro Nase und Jahr. Ich krieg 0, ganz im Gegenteil, auch die anderen, die arbeiten, auch nicht, und Hartz-IV Empfaänger kriegen das auch nicht ansatzweise.
    Legt den Verdacht nahe, dass da vor allem ein riesiger Verwaltungsapparat beglückt wird. Damit die Mitarbeiter der Arbeitsagentur, Sozialämter und Rentenversicherung keine Barrikaden bauen also, um in deinem Bild zu bleiben.
    Und dann noch was zum Nachdenken:
    Die Schweiz hat 2004 12,7% vom BIP für Soziale Sicherung u. 4,1 % für das Gesundheitswesen ausgegeben. Deutschland im selben Jahr prozentual DEUTLICH mehr, 22,1% u. 6,1% (http://www.vwl.uni-freiburg.de/fakultaet/fiwiI/publikationen/228.pdf).
    Niemand kann behaupten, dass es den Schweizern schlechter geht, und SCHON GARNICHT im Jahre 2004.
    Erklär das mal.

  5. Crackerjack

    @Andrej

    die sozialausgaben sind das kleinste aller problem mein freund.

    welches modell uns aus der kriese hilft bleibt abzuwarten. Die gescheiterten modelle kennen wir….soviet sozial/ kommunismus und US neo-liberaler marktradikalismus.

    ….der neo-liberaler freier markt modell hat ein einziges mal in der geschichte, dank bush jr, sich an die eigenen regeln gehalten-. Als es lehmann brothers pleite gehen ließ. Bis dahin und jetzt wieder werden die sogenannten „freie“ marktkräfte vom staat, sprich steuerzahler, gegensubventioniert wenn das haus brannte. Bleibt abzuwarten wie lange das märchen vom freien markt noch bestand hat und ob nach dem nächsten zusammenbruch viele länder in die unregierbarkeit abrutschen und die barrikaden brennen. Spätesten dann wird man merken das sozialleistungen einen lohneneder ausgabe sind.

  6. Ralph

    Hallo zusammen,

    ich tue mich wirklich schwer mit der allenthalben zu hörenden Erklärung der Weltwirtschaftskrise. Der böse Raubtierkapitalismus war’s. Das erscheint mir aus mehreren Gründen ein bißchen kurz gesprungen:

    1. Wie kann man bei Staatsquoten jenseits der 50 % überhaupt noch ernsthaft von einem kapitalistischen System sprechen?! Staatskapitalistisch, vielleicht. Aber bei solchen Anteilen „des Apparats“ von einer Marktwirtschaft gleich welchen Anstrichs auszugehen, erscheint mir gewagt. De facto haben wir eine Staatswirtschaft, in der sich der fürsorgliche Staat Eingriffe in zahlreiche Märkte anmaßt (Wohnungsmarkt, Arbeitsmarkt, etc.), die kaum dass er dort wirkt, zum institutionalisierten Mangel streben. Nur ganz nebenbei, ist auch nach Jahrzehnten der Umverteilung, keine nennenswerte Linderung auf Seiten der Beschenkten zu verzeichnen. Im Gegenteil, es wird nach mehr gerufen. Der einzige Profiteur der Umverteilung scheint der Apparat selbst zu sein – nebst seinen Angehörigen, deren Bedeutung mit dem verwalteten Budget steigt. Willkommen im Taschengeldempfänger-Staat. Alles vom Staat zu erwarten ist, wie Steinhöfel so treffend bemerkt, kein Lebensentwurf eines Erwachsenen, sondern die Haltung von Unmündigen und Kindern.

    2. Zurück zur Bankenkrise: Haben staatliche und halbstaatliche Institute tatsächlich besser gewirtschaftet, als der vielgescholtene Herr Ackermann? Nein, die Landesbank-Spezies, oft genug abgehalfterte Politiker (also wiederum Gewächse des Apparats), die es bei der Deutschen Bank wohl kaum in den Vorstand geschafft hätten, haben in einer Mischung aus Gier und Dusseligkeit mehr von dem toxischen Müll angesammelt, als die meisten anderen Institute. Die HRE ist schließlich durch ihre Tochter Depfa ins Straucheln geraten, die sich der schönen Aufgabe der Staatsfinanzierung widmet – ein Geschäft, das bekanntlich Zukunft hat. Nur leider hat die Depfa dabei die elementare Regel der fristenkongruenten Finanzierung missachtet, weshalb nun der brave Steuerzahler, diese Tölpel herausholen darf.

    3. Ist „too big to fail“ tatsächlich Marktversagen? Oder ist es nicht eben dieser staatliche Freibrief der auch den schillerndsten Abenteuren ausgestellt wird, sofern das Schiff, das sie lenken nur groß genug ist? Sobald ich groß genug und also systemrelevant bin, kann ich vabanque spielen, denn da sind die Gewinne am höchsten. Falls es schief geht, holt mich der Staat, also wir Steuerzahler heraus. Dieses asymetrische Anreizsystem stammt aber nicht vom Markt, sondern wurde durch Staatsinterventionen hervorgerufen. Freiheit muss auch die Freiheit des Scheitern beinhalten dürfen. Für alle. Eine ähnliche Problematik finden wir auch an den Wertpapiermärkten, wo sie unter „Greenspan-Put“ berühmt berüchtigt wurde. Weil der Markt nicht nennenswert und nachhaltig fallen darf, wird interveniert. Die kleinen Anpassungkrisen eines Marktsystems werden durch Neuverschuldung „weggebügelt“. Damit wird aber nicht nur auf den reinigenden Effekt solcher Anpassungskrisen verzichtet, die Probleme werden vergrößert in die Zukunft vorgetragen. Das dicke Ende kommt. Geradezu ein Klassiker hirnloser Staatsintervention war die sog. Abwrackprämie. In der schwersten Wirtschaftskirse wurden Sonderschichten gefahren um die Vozieh- und Mitnahmeffekte zu finanzieren. Die Autoindustrie fällt dann halt ein halbes Jahr später ins Loch. Zudem war der Anreiz so dilletantisch gesetzt, dass vor allem Kleinwagen profitierten, was nicht gerade eine Domäne der deutschen Hersteller ist.

    4. Ich kann nur empfehlen sich einmal mit dem Gedankengut der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“ auseinanderzusetzen (Carl Menger, Friedrich August von Hajek, Ludwig von Mises, etc.). Da dürften einige Schuppen von den Augen fallen, sowohl hinsichtlich der keynesianischen Staatsreligion, als auch bezüglich unseres Papiergeldsystems, das viele der aktuellen Auswüchse erst möglich gemacht hat.

    Schöne Grüße!

  7. Andrej

    Ach, Cracker, heute mal wieder vor Empörung Schaum vor’m Mund?
    „Den Preis zahlen jetzt alle.“
    Nicht wirklich. Irgendwer kriegt reichlich Rabatt:
    Nämlich die 754 Mrd. Euro Sozialleistungen in 2009, bescheidene 31,9% des Bruttoinlandsproduktes (http://www.faz.net/s/Rub58241E4DF1B149538ABC24D0E82A6266/Doc~E7549739E86B14098A5FC28FEC2B68721~ATpl~Ecommon~SMed.html).
    Oder geht das alles an Ackermann z.B., vlt. weil der für zig Millionen Kinder Kindergeld bekommt, oder sich so knapp 2oo Mio mal für Hartz IV-Bezug angemeldet hat, Cracker? So als richtig böses Mitglied der „Schmarotzer Klasse“?
    Und welches Land ist denn nun ein Gesellschaftsmodell, nachdem wir nun von Dir ohne Nachfrage erfahren durften, welches keines ist?

  8. Crackerjack

    Gleichheit?? Wo? Ich bin dabei!!!Weder der Sozialstaat, Hartz 4 ‚ler, die Beamten, die Rentenkassen noch klein „Mohammed“ haben das Land ruiniert, Billiarden an Werte vernichtet und ein Hypothek für mehrere Generationen hinterlassen, sondern die selbsternannte Elite. Leider hat der Staat ihnen den Spielraum dafür gelassen. Den Preis zahlen jetzt alle.

    Jeders Euro das seit der Wiedervereinigung Arbeitnehmern, Mittelstand, Rentnern oder Hartz 4’ler abgerungen wurde und den „Freien“ Kapitalmarkt Mafia und Multinationaler Firmengeschwüre zugute kam ist vernichtet worden. Hätte man diese Schmarotzer Klasse beizeiten ordentlich besteuert, müßte jetzt nicht die ganze Gesellschaft die Rechnung begleichen.

    Ron Raegans Neo Liberaler Markt Märchen hat sich zum Totalschaden entwickelt und taugt nicht als Gesellschaftsmodell. Es sei man wünscht sich USA Verhältnisse. Wer das Land kennt, den stehen alleine bei der Gedanke sämtliche Nackenhaare senkrecht. Nein Danke!

  9. Ferdinand

    „viele Liberale wird er damit nicht gewinnen.“

    ja, weil viele (Links-)Liberale noch in einer Traumwelt leben, aber zum Glück ändert sich das bereits!

  10. Aca

    Also die Schlussfolgerung FDP zu wählen, leuchtet mir nicht ein. Das letzte was man in dieser Situation braucht ist, ist eine Partei, die keine, aber auch GAR keine eigene Ideen entwickelt. Es sei denn, die entfesselung des Raubkapitalismus wäre eine gute Sache. Aber auch nicht neu.

  11. Pete.Jackson

    Grundsätzlich mag Steinhöfel sogar recht haben, problematisch sehe ich die extreme Tendenz, die Verweigerung jeder Abwägung, zugespitzt in der Aussage zu Kindern, die nun vermeintlich alle bald Mohammed heißen. Eine Steilvorlage für Gegner, und schade, denn die Gedanken wären eine Auseinandersetzung wert. Steinhöfel bedient mithin nur die intellektuellen Rechtsausleger, viele Liberale wird er damit nicht gewinnen.

    Hier können wir schauen, wer Steinhöfel die Buchempfehlung gegeben hat:
    http://www.pjtv.com/video/Klavan_on_culture/_Why_Are_Conservatives_So_Mean%3F/1949/;jsessionid=abcybdvbQ23-ofhyJ_Ggs
    Warum Konservative so gemein sind…

  12. Ferdinand

    Es wäre begrüßenswert, wenn diese Videokommentare auch auf youtube – denn sie sind wirklich sehr gut! – verfügbar wären.