Maas bräuchte für Zensurgesetz schon gesetzgeberischen Gewaltakt

Wenn man nach drei Stunden Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (vulgo:Zensurgesetz) eine Prognose wagen soll, kann diese nur lauten, dass es sich um eine offenkundig verfassungswidrige Totgeburt handelt. Sieben von zehn Sachverständigen erklärten das Gesetz in seiner aktuellen Fassung für verfassungswidrig – „verfassungswidrig, europarechtswidrig“, „schwerwiegendes Grundrechtseingriffe denkbar“, „Das Gesetz wird in Karlsruhe scheitern. Das Bundesverfassungsgericht wird seine Rechtsprechung nicht von Netzwerkdurchsetzungsgesetz faktisch einebnen lassen“, „Facebook wird gedrängt, Richter über die Meinungsfreiheit zu sein, ohne dass dies rechtsstaatlich begleitet wird. Das Gesetz bedroht die Meinungs- und Pressefreiheit“, „ausdrückliche verfassungsrechtliche Bedenken“, „nicht verfassungsgemäß“.

Das Gesetz ist irreparabel. Es war beschämend für den Justizminister, als während der Anhörung bekannt wurde, dass sich Weißrussland, Europas letzte Diktatur, ausdrücklich für sein Zensurgesetz interessiere und Gleichartiges auch von anderen Ländern, „die keine lupenreinen Demokratien sind“ berichtet wird. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich Heiko Maas bei seinem Kampf gegen sog. Hetze bewegt.

Die geäußerten Anregungen und Bedenken aus dieser Anhörung sind bis zum Ende der nächsten Woche, der letzten Sitzungswoche in dieser Legislaturperiode, unter keinen Umständen sorgfältig zu prüfen und in einen geänderten, verfassungsgemäßen Entwurf einzuarbeiten. Die CSU ist dem Vernehmen nach mittlerweile fast komplett gegen das Gesetz.

Ohne einen aus der Bundesregierung über die Fraktionsvorsitzenden gegenüber den Abgeordneten ausgeübten parlamentarischen Gewaltakt ist das Gesetz tot. Und jetzt kommt der Haken: Dieser Regierung und insb. der Regierungschefin traue ich auch einen solchen Schritt ohne weiteres zu.

Colorandi causa: Die Ausschußvorsitzende Renate Künast (Grüne) hat die öffentliche Sitzung professionell und fair geleitet. Die Abgeordneten machten, mit einer Ausnahme, soweit sie sich zu Wort meldeten, einen mit der Sache vertrauten Eindruck.

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Kommentare

  1. Gerald

    Geschicktes Ablenkungsmanöver mit der ohnehin nicht mehr aufzuhaltenden Ehe für Alle und – schwups, war der Gesetzentwurf durch. Es ist heute sogar egal, wie durchschaubar die Manipulationsspielchen mittlerweile geworden sind. Die Dummheit ist anscheinend alternativlos.

  2. Hans-Peter Hammer

    Sieht so aus als bekäme er den! Ein Trauerspiel für die repräsentative Demokratie und ein weiterer Schritt in Richtung Diktatur!

  3. Klaus

    Denen geht wegen der Bundestagswahl der A**** auf Grundeis. Da wird es wohl im Sommer eine gigantische Löschaktion geben. Zitat: „Die Koalitionsspitzen sind sich darin einig, dass wir auf jeden Fall ein Gesetz machen wollen“, sagte der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner dem Handelsblatt. Daher sei er optimistisch, dass die Koalition eine Lösung der noch kritischen Punkte in dieser Woche hinbekommen werde. „Wir haben zu viel üble Hetze im Netz, als dass wir uns erlauben können, dass Gesetz in die nächste Legislaturperiode zu schieben.“

  4. emildetektiv

    Heute laufen schon bundesweit Durchsuchungen gegen „Hass-Kommentare“ im Internet…also Herr Maas braucht gar nichts…seit 6.00 Uhr wird das durchgesetzt… und es wird keiner was sagen…geht ja nur gegen Rechte und Reichsbürger… und da sagt niemand was… ging schon mal so los…

    Als sie die Kommunisten geholt haben,
    hab ich nichts gesagt. Ich war ja kein Kommunist.

    Als sie die Sozialdemokraten geholt haben,
    hab ich nichts gesagt. Ich war ja kein Sozialdemokrat.

    Als sie die Juden geholt haben,
    hab ich nichts gesagt. Ich war ja kein Jude.

    Als sie mich geholt haben, war niemand mehr da der hätte etwas sagen können.

    Martin Niemöller

  5. Tilo B.

    Wer kann aus rechtlicher Sicht eigentlich alles seinen Rücktritt fordern?
    Wenn der Justizminister und sein Ministerium dermaßen unqualifizierte und Verfassungsfeindliche Gesetze vorlegen, kann man doch eigentlich nur noch Rücktritt fordern.
    Eher angebracht wäre wohl eine art unehrenhafte Entlassung, aber so etwas gibt es meines Wissens in der Politik nicht.

  6. Claus

    Auf Anruf Löschung! Ist es nicht das, was Maas & Co. sich wünschen für alle Meinungen, die nicht regierungskonform sind?