Frontalangriff von Heiko Maas auf die Meinungsfreiheit

Vor ein paar Wochen moderierte Stefan Aust in der „Hamburg Media School“ eine Diskussion über das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“. Teilnehmer waren neben Justizminister Heiko Maas unter anderem der Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, Giovanni di Lorenzo, und die Chefredakteurin von „Spiegel Online“, Barbara Hans. Maas verkauft sein Gesetz mit einem rhetorischen Trick, der ebenso irreführend wie erfolgreich ist: Wer gegen sein Gesetz opponiert, sei offenbar für „Hass und Hetze“ auf Facebook.

Zensur durchgewunken

Das funktioniert. Meistens. Keine Rede davon, dass der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags das Gesetz in Gutachten für europarechts- und verfassungswidrig erachtet hat. Kein Wort davon, dass acht der zehn von den Parteien (!) ausgesuchten Sachverständigen dem Entwurf in der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags „schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken“ attestierten und von dem Versuch einer Einebnung der Meinungsfreiheit sprachen, den Karlsruhe sich nicht werde bieten lassen.

Kapitulation des Rechtsstaats

Und dass der Sonderbeauftragte für Meinungsfreiheit der Vereinten Nationen, David Kaye, die Bundesregierung wegen dieses Gesetzes anschrieb, zur Stellungnahme aufforderte und seine völkerrechtlichen Bedenken deutlich machte, scheint im nationalen Diskurs keiner Beachtung wert. Normalerweise schickt Kaye seine Post an Nordkorea, Weißrussland oder die Türkei.

Maas’ Gesetz ist nicht nur europarechts-, völkerrechts-, und verfassungswidrig. Es stellt einen Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit dar, wie ihn die Republik seit der „Spiegel-Affäre“ oder Adenauers vor dem Verfassungsgericht gescheiterten Versuch, ein „Staatsfernsehen“ einzurichten, nicht mehr erlebt hat. Es steht auch für eine Kapitulation des Rechtsstaats vor der Aufgabe, geltendes Recht durchzusetzen.

Wenn bei Facebook und Konsorten strafbare Inhalte auftauchen, ist es, wie bei jeder anderen Straftat auch, die Aufgabe von Ermittlungsbehörden und Justiz, die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Wenn man Heiko Maas hört, könnte man den irrigen Eindruck gewinnen, Beleidigung und Volksverhetzung könnten erst mithilfe seines neuen Gesetzes verfolgt werden.

Es geht nicht um „Hass und Hetze“ – Es geht um die Rückeroberung der Herrschaft über den politischen Diskurs

Skandalös, wenn die Länder die Justiz nahezu handlungsunfähig sparen und die Grenzen der Meinungsfreiheit zukünftig von Mindestlohnakteuren bei Facebook bestimmt werden sollen. Die löschen werden, was das Zeug hält („overblocking“), weil dem Unternehmen und dessen leitenden Mitarbeitern sonst absurd hohe Geldbußen bis zu 50 Millionen Euro drohen.

Das ist das wirkliche Gesicht von Maas’ Gesetz. Es geht nicht um „Hass und Hetze“. Es geht um die Rückeroberung der Herrschaft über den politischen Diskurs – der zu erheblichen Teilen von den öffentlich-rechtlichen Medien und den großen Tageszeitungen abgewandert ist zu Facebook, Twitter und auch zu neuen Medien wie „Tichys Einblick“ oder Blogs wie „Die Achse des Guten“. Während man sich über die Gremien von ARD und ZDF dort erheblichen Einfluss gesichert hat, soll dies in den sozialen Medien über blanke Erpressung mit unverhältnismäßigen Sanktionen erfolgen.
Blanke Erpressung sozialer Medien

Wenn sich 25 Prozent der Abgeordneten des neuen Bundestags ermannen, können diese gemeinsam eine Überprüfung des Gesetzes beim Verfassungsgericht erzwingen. Explizit gegen das Gesetz sind Die Linke, FDP und AfD, bei den Grünen finden sich harte Kritiker. Wird es eine Kooperation über diese scheinbar unüberwindbaren Hürden hinweg geben? Ist Parteiräson wirklich wichtiger als die Verteidigung des Freiheitsrechts unserer Verfassung?

Dieser Beitrag ist in Tichys Einblick 11/2017 erschienen.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2017

 

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Kommentare

  1. michel

    uuuuund, wer hat dieses ganze staatsschmarotzer gesindel per generalvollmacht zu allem ermächtigt???
    riiischtisch, die erbittertesten feinde der freiheit, die glücklichen sklaven.
    ist ja auch viel gemütlicher die einzige form von souveränität per abgabe und urnen bestattung aus der hand zu geben, denn dann kann man hinterher wieder typisch doppelmoralisch deutsch rumheulen.
    es tut mir im herzen weh, aber die deutschen haben es alles nicht anders verdient, der wohlstandverdummung sei dank!

  2. Jan

    Die Antwort lautet leider „Ja“.

    Man kann den Effekt dieser Maßnahmen gut am Beispiel Magnitsky sehen: es ist völlig unmöglich im öffentlichen Internet die Dokumentation von Andrej Nekrassow zu Gesicht zu bekommen. Wieso? Weil sie das öffentliche Narrativ kritisch hinterfrägt. That’s it… like 1933

  3. H. E. Stiller

    Preisfrage an Juristen – aus welchem Gesetz stammen die folgenden Ausführungen zu Fake News und Hetze:

    „Artikel 4. Der Zweck der Einsetzung des… Tribunals ist, die Feinde des Volkes zu bestrafen…
    Art. 6. Als Feind des Volks gilt, wer… das Volk und seine Repräsentanten täuscht,… wer falsche Nachrichten ausstreut, um das Volk zu spalten oder zu verwirren…;
    wer die öffentliche Meinung irrezuführen… versucht…;
    … und die republikanischen Prinzipien… durch Hetzschriften aufzuhalten versucht…;
    Art. 8. Als notwendiges Beweismittel… dient jede Art von Beweisen, seien sie materiell oder moralisch…; die Richtschnur bei der Urteilsfindung ist… das erleuchtete Gewissen der Richter, ihr Ziel, der Untergang der Feinde…;
    Art. 16. … Verschwörer erhalten keine Verteidiger.“

    Nein. Falsch. Das ist nicht von Heiko Maas.
    Das war Robespierre, 1794, „Gesetz vom 22. Prairial“.
    Aber ich gebe zu, der Unterschied ist graduell.

  4. dentix07

    > …- Es geht um die Rückeroberung der Herrschaft über den politischen Diskurs.<
    Nein, es geht um die Unterbindung des Diskurses, die Verhinderung von Diskussion, das (Aus-)Löschen anderer Meinung (als die von "oben" vorgegebene)!
    Es scheint weit hergeholt, aber manchmal denke ich schon die Rauchverbote in Gaststätten waren, unter dem Vorwand Gesundheit, eigentlich gegen die Stammtische gerichtet! Diese waren der Politik seit jeher, ob der berüchtigten "Stammtischparolen", ein Dorn im Auge. (Es gab ja sogar die Idee von "Stammtisch-Aktivisten", die gegen die Meinungsbildung in Kneipen eingesetzt werden sollten!)
    Anders kann ich mir nicht erklären warum man die einfachere Lösung: Der Wirt bestimmt ob in seinem Lokal geraucht wird, oder nicht (Bei genügend Nachfrage hätte es nach kurzer Zeit etliche Nichtraucherlokale gegeben; Marktwirtschaft!), ablehnte!
    Der "neue Stammtisch" sind (noch) die "sozialen Medien", allen voran Facebook! Und gegen diese – unter dem Vorwand es ginge gegen Hetze und Haß – gibt es nun das NetzwerkDG!
    Der bisherigen Politik geht, so scheints, so richtig der A… auf Grundeis, sie haben eine Sch…angst nicht nur davor das einer ruftt: "Die sind ja nackt!", sondern davor das es jemand hören könnte; und dann feststellt, die sind tatsächlich (argumentativ) splitterfasernackt; und sich das rumspricht!
    Nur so kann ich mir erklären warum nicht nur das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des BT, die anderen 8 Gutachter, etliche Aussagen vieler anderer entsprechend beschlagener Fachleute, die Stellungnahme des Herrn Kaye (wobei der sogar der Unwichtigste ist; die UN ingesamt steht da auch nicht gerade als Vorbild da), wie auch das eigentlich vorhanden sein sollende Fachwissen der etlichen anderen Juristen (Dr. jur. oder nicht) im Bundestag überhaupt keine Rolle spielte! (Ich gehe mal davon aus, das Leute wie Dr. jur. Schäuble, Dr. jur. de Maiziere, der Jurist Maas, die Juristin Künast, etc. pp., ihr Studium regelgerecht und mit korrekt bestandenen Prüfungen abschlossen!)
    Fühlen die sich wirklich derart (persönlich?) in die Enge getrieben?

  5. Wo soll das noch alles hinführen? Wer stoppt diese Menschen endlich? Bisher hielt ich weite Teile unserer Politiker für einfach nur dumm, aber mittlerweile wird mir Angst und Bang davor. Rot-Grün belegen in der Kategorie der hinterlistigen, bürgerfremden und dumm Studierten den Platz 1. Leider zeigt kaum eine andere Partei denen die Kante.
    Dass die von den Bürgern Deutschlands drittstärkste gewählte Partei nicht mal ansatzweise zur Auswahl in ein neues Regierungsteam genannt wird, noch zu Gesprächen eingeladen wird, zeigt doch einfach in klarster Weise, was man von Demokratie und Bürgermeinung hält.

  6. Freespeech

    Heiko Maas, der sich mit seiner SPD mittlerweile verdünnisiert hat, verkaufte sein Netzwerkdurchsetzungsgesetz (einen noch dämlicheren Namen fand man gerade nicht) um möglichst alle Bürger auf Spur zu bringen.
    Natürlich auf die politisch korrekte, die der herrschenden Klasse entspricht.
    Wie sehr muss man wohl gestört sein, wenn man sich als Wähler nicht informiert und immer noch diese „Antivolksregierung DDR 2.0“ wählt??