Abwehrschlacht mit Özil-Fanboys

Für Politiker und Fußballfunktionäre war Mesut Özil ein strahlender Leuchtturm der Integration. Im Jahr 2010 wurde er sogar mit einem Bambi (Kategorie Integration) ausgezeichnet. Bis er sich durch ein gemeinsames Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Sommer 2018 selbst ins Abseits beförderte. Doch der Weltmeister von 2014 könnte in der Debatte als Sieger vom Platz gehen.

In einer dreiteiligen Erklärung in den Sozialen Medien schoss der Fußballer zuletzt gegen die DFB-Spitze und erklärte seinen Rücktritt. „Ich werde nicht länger der Prügelknabe sein für seine Inkompetenz und seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen“, kritisierte Özil (oder seine Anwälte und Berater) DFB-Boss Reinhard Grindel (CDU). Anschließend zog der Spielmacher noch einen Joker. Er unterstellte großen Teilen der deutschen Gesellschaft und den Medien Rassismus. Ein Angriff, quasi ein Elfmeter, der sich nur schwer abwehren lässt. Das dürften auch Özils Berater gewusst haben, die mit ihm die Taktik vor dem letzten Anpfiff entwarfen.

Die Anschuldigungen kommen bei der Fangemeinde des Fußballers gut an. Der Profi-Kicker hat in den Sozialen Medien viele türkische Anhänger. Dass er sich einst für die deutsche Nationalmannschaft entschied, hat man ihm in Istanbul und Berlin längst verziehen. Allein auf Instagram, einer App auf der Menschen Fotos teilen, folgen ihm 17,5 Millionen User. Eine Fanbase, über die nicht einmal US-Präsident Donald Trump (9,4 Millionen Follower) verfügt. Auch wenn sich darunter sicher einige Fake-Profile verstecken. Das gilt jedoch für beide Accounts.

Da ich Mesut Özils Art der Krisenbewältigung und noch weniger die Kommentare seiner Fans verstand, habe ich seinen Instagram-Beitrag kommentiert. Hier der Text im Original: „Du hast es einfach nicht verstanden. Es geht nicht darum, dass du ein Foto mit dem Präsidenten einer anderen Nation gemacht hast. Es geht darum, lieber Mesut Özil, dass dieser Mann die säkulare Türkei in einem islamistischen Gottesstaat verwandelt und sämtliche Elemente des Rechtsstaats mit beiden Füßen tritt. Über ein Foto mit einem türkischen Demokraten hätten niemand diskutiert.“

Der Beitrag schlug ein wie der Freistoß von Toni Kroos zum 2:1 gegen Schweden im zweiten WM-Gruppenspiel: mehr als 100 Likes, mehr als 200 Kommentare. Doch anstatt Jubel erntete ich einen Shitstorm der extremen Art. Während eine Minderheit versuchte, meinen Text sachlich zu kritisieren, um per Doppelpass eine Diskussion anzustoßen, entschloss sich die Mehrheit der Özilianer zum Eintritt in den Angriffsmodus – inklusive böser Foulspiele.

Neben persönlichen Beleidigungen und Bedrohungen trieften die Kommentare vor Antisemitismus, Nationalismus und Revisionismus, wie man es sonst nur von NPD-Funktionären im tiefsten Osten Deutschlands erwartet hätte. Brisant: Die Mehrheit der Kommentatoren lebt – wie eine kurze Recherche ergab – mitten unter uns, zwischen Flensburg und Konstanz, fühlt sich aber mehr dem türkischen Präsidenten als Angela Merkel hingezogen.

Hier einige Kommentare im Original (in Klammern die Namen der Accounts):

fashion4she.heidelberg: „seid mal lieber froh dass die Türken euch den Islam gebracht haben und die meisten Deutschen das sogar praktizieren. […] vor 20 Jahren sind die deutschen Frauen im Schwimmbad wie behaarte Affen herumgelaufen und dank uns […] rasieren sich eure Frauen schon nach der Vorgabe wie es der Islam vorsieht.“

guzel_sozlertr: „wir können uns mal gerne privat treffen, dann würde ich dir etwas ganz anderes politisches spüren lassen.“

_rae.4: „[…] Dann gibt es ja das vielgepriesene moderne und demokratische Israel, wo Palästinenser systematisch ausgelöscht werden. Keiner äußert sich dazu.“

buharackcc: „Völkermord an den Armeniern hat nie stattgefunden. […] ich erzähle dir davon, dass es keinerlei Bewiese gibt für den Völkermord an den Armeniern und davon dass der türkische Präsident darauf besteht die nötigen Beweise auf türkischem Boden zu finden um so eine Tat vorzuwerfen.“

fashion4she.heidelberg: „Völkermord an den Armeniern und aus welchem Geschichtsbuch hast du das? Hensel und Gretel? Oder doch 7 Zwerge? […] Die Türkei fängt 2023 an und dann gibt es kein aufhalten mehr.“

mrtklc1907: „wer ins Gefängnis muss hat mir Journalismus nichts zu tun. Die Journalisten sind alle frei die mit terroristen nichts zu tun haben!“

tln1313: „warum hat man damals Messi nicht verurteilt der auch Foto hat mit netanjahu. Der der die Palästina bombardiert alles platt macht was nicht jude ist? Ihr seid alles heuchler.“

kayra__fb: „laber keine scheisse und mach weiter tierfotos am besten eins von deiner mutter“

sabriye.c: „die deutschen Medien werden von den Juden gelenkt… von wegen meinungsfreiheit in deutschland“

Die Roten Karten blieben übrigens aus. Obwohl ich einige Beiträge bei Instagram meldete, sind diese weiterhin öffentlich sichtbar.

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Der Autor ist Redakteur bei einer deutschen Tageszeitung und möchte anonym bleiben („Ansonsten sehe ich bei der aktuellen Lage in Deutschland große Gefahren, meinen Job zu verlieren – so bitter das auch klingt!“.

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Kommentare

  1. Th.Engelhardt

    Es ist immer wieder erstaunlich, wie tolerant Instagram, Facebook etc. sein können, wenn die „Hetze“ und der „Haß“ von der richtigen Seite kommen.

  2. hans nikolaus fellner

    was ist denn mit gündogan der hat sich doch auch ablichten lassen,da hört man gar nichts

  3. J. Schuster

    Die eierlegende Wollmilchsau Deutschland hat viele Nattern an ihrer Brust gesaugt . Und es werden noch viele folgen . Außerdem ist der sog. Profifußball nichts anderes als Brot und Spiele , zur Lenkung und Ablenkung der Massen .

  4. Elrosu55

    Beim Lesen habe ich mich gefragt, ob diese Leute sich darüber im klaren sind, dass sie selbst die Rassisten sind.

  5. Das ist nicht der Punkt Herr Steinhöfel.
    Mezut Özil ist und wahr ausschließlich ein Fußballsöldner für die ganz persönliche Karriere und natürlich ohne ein Nationalgefühl für die deutsche Fußballmanschaft, (wie im übrigen viele andere auch) der als „Kollateralschaden“ seine Verbundenheit im Herzen zur türkischen Nation, auf öffentlichen Abstand hielt. Der Preis dafür war das Vermarkten von politisch instruierten DFB Bossen, die ihrem Auftrag, eine Integrationsmannschaft dem Fußball-verliebten Volk zu verkaufen, die es gar nicht gibt, folgten. Ein mieser PR Gag, der Deutschen weismachen soll, Migranten, insbesondere Muslime, würden sich auf Wunsch integrieren lassen. Dem ist nicht so, dem war nie so. Özil hatte das Foto mit Erdogan bewusst inszeniert, um der Lüge, seiner Lüge und der Lüge der DFB Verantwortlichen ein Ende zu bereiten. Özil ist nicht nur im Herzen immer Türke gewesen, er ist auch nicht minder stramm reaktionär, wie Hunderttausende und mehr Erdogan Sympathisanten türkischer Abstammung, in Deutschland. Ihr gutes Recht. Nicht unser Recht als Deutsche, Özil, oder andere zu kritisieren, wem sie politisch huldigen mögen. Wir sollten uns mehr um den Dreck vor der ganz eigenen Haustüre kehren und einem Mezut Özil weniger eine Plattform bieten. Blamiert haben sich in dieser „Affäre“ ganz sicher die Deutschen, aus Sport, Politik und natürlich den Massenmedien, aber Mezut Özil ganz sicher nicht.

    Gaby Kraal, SKB News

    „Du hast es einfach nicht verstanden. Es geht nicht darum, dass du ein Foto mit dem Präsidenten einer anderen Nation gemacht hast. Es geht darum, lieber Mesut Özil, dass dieser Mann die säkulare Türkei in einem islamistischen Gottesstaat verwandelt und sämtliche Elemente des Rechtsstaats mit beiden Füßen tritt. Über ein Foto mit einem türkischen Demokraten hätten niemand diskutiert.“

  6. Wolfro

    Wir alle sollten davon ausgehen, dass die Özil Rücktrittsmeldungen vom türkischen Staat mindestens mitverfasst wurden. Ziel ist klar, weitere Verunsicherung der deutschen Bürger und Stärkung der türkischen „Gemeinschaft“ in Deutschland. Erdogan betreibt gezielt eine Destabilisierung Deutschlands. Seine Bemerkungen (wir könnten D innert Tagen übernehmen etc.) ggü Deutschland und Europa aus der Vergangenheit sind bitte ernst zu nehmen. Schließlich hat er Vorbilder, oder?

  7. Es ist bedauerlich, dass sich die „Spreu“ mitten unter uns versteckt. Aber es ist auch schon wieder soweit, dass sie sich tatsächlich bei Licht und hellem Tage aus der Deckung trauen. Sie glauben, weil sie am lautesten schreien. im Recht zu sein. Aber das ist ein großartiger Irrtum, nicht die am lautesten schreien, haben Recht, nicht diese sind „das Volk“. Sie sind lediglich und ganz einfach nur laute Schreihälse. Aber die schweigende Mehrheit sollte langsam aufstehen und diesem Treiben ein Ende bereiten! Wie?? Ganz einfach, Farbe bekennen, gegen Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Revisionismus. Deutliche Zeichen setzen. „Das wollen wir nicht“! sagen, zeigen, leben. Einfach „Stop“ You are leaving the ….“