Her mit den Passwörtern – Was schert die Justizministerin unsere Verfassung

Historisch gesehen war das Justizministerium immer auch der Hüter der Werte unserer Verfassung. Dieses Vertrauen in die Institution wurde spätestens in der Regentschaft des aktuellen Außenministers Heiko Maas (SPD) schwer erschüttert. Wer miterlebt hat, mit welcher Kaltschnäuzigkeit sich das Justizministerium und dann die große Koalition in der letzten Legislaturperiode über die massiven verfassungsrechtlichen Bedenken hinweggesetzt und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verabschiedet hat, war sprachlos. Nie werde ich vergessen, was die ja von den Parteien selbst benannten Sachverständigen im Sommer 2017 im Rechtsausschuß des Bundestages auf die Frage der Abgeordneten zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes geantwortet haben. Sie erklärten den Gesetzesentwurf für: “verfassungswidrig, europarechtswidrig”, hielten “schwerwiegende Grundrechtseingriffe (für) denkbar”, “Das Gesetz wird in Karlsruhe scheitern. Das Bundesverfassungsgericht wird seine Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit nicht vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz faktisch einebnen lassen”, hieß es, “Facebook wird gedrängt, Richter über die Meinungsfreiheit zu sein, ohne dass dies rechtsstaatlich begleitet wird. Das Gesetz bedroht die Meinungs- und Pressefreiheit”, man habe “ausdrückliche verfassungsrechtliche Bedenken”, es sei “nicht verfassungsgemäß”.

Kurze Zeit später passierte das Gesetz den Bundestag und die von mir schon im Vorfeld befürchtete „digitale Massenvernichtung freier Rede“ ist zwischenzeitlich Realität. Es geht bekanntlich so weit, dass der Wortlaut von Petitionen, die sich auf der Website des Deutschen Bundestages befinden, preisgekrönte ARD-Serien („Entweder Broder – Die Deutschland-Safari“), Zitate von Robert F. Kennedy oder – im Prozeß vor dem LG Dresden eingestandenermaßen sogar vollautomatisch – Links zu Artikeln im Nachrichtenmagazin „Focus“ gelöscht und die Nutzer mit Sperren bestraft werden. Für das Gesetz mitverantwortliche Politiker wie der CDU-Abgeordnete Carsten Müller sprechen allerdings trotzdem noch im Mai 2019 im Bundestag davon, dass die Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt werde, dass es kein Overblocking gebe und das NetzDG funktioniere.

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Anscheinend wird aber immer noch nicht genug gelöscht, denn anstatt das verfassungswidrige Gesetz abzuschaffen, will die Bundesregierung es sogar noch verschärfen. Jetzt liegt der „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ vor. Dass nur Rechts-, nicht aber auch Linksextremismus bekämpft werden soll? Geschenkt.

Ich halte die Justizministerin Lambrecht (SPD) für eine perfide und gefährliche Frau. Ich habe Zweifel, ob sie noch eine Demokratin ist. Was ihr Ministerium hier unter dem Deckmantel der Extremismusbekämpfung und der untauglichen Floskel der „Hassrede“ vorlegt, ist ein Gesetz, das mit kalter Gleichgültigkeit elementare Grundrechte schleift. Ob ein Gesetz auf den ersten Blick erkennbar verfassungswidrig ist, interessiert die Justizminister der SPD und die große Koalition schon lange nicht mehr. Aber hier werden alle Grenzen überschritten.

„Soll hier unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Rechtsextremismus nun von den Sicherheitsbehörden Zugang zu Informationen erlangt werden, die man immer schon wollte?“ fragt selbst die Grüne Renate Künast.

Lambrecht will die Internetüberwachung massiv ausweiten. Anbieter sollen u.a. die IP-Adresse an das Bundeskriminalamt weitergeben müssen. Was allerdings deren Speicherung voraussetzt, ein Schritt, der weit über höchst umstrittene Vorratsdatenspeicherung hinausgeht. Noch wesentlich weitergehender ist das Vorhaben, alle Telemediendienste von Facebook bis zur Plattform der Katzenfans zu verpflichten, Strafverfolgern und Geheimdiensten „sämtliche unternehmensinternen Datenquellen“ herauszugeben. Zu diesen „unternehmensinternen Datenquellen“ gehören ausdrücklich auch Passwörter. Eine bloße Ordnungswidrigkeit soll genügen, um einen entsprechenden richterlichen Beschluß erwirken zu können. Das digitale Innenleben der Bürger wird dem Staat ausgeliefert.

Diese Gesetzesänderung wäre ein weiterer, großer Schritt in Richtung totaler Kontrolle, in Richtung Überwachungsstaat. Dass sich die Oppositionsparteien nicht dazu durchringen konnten, trotz einheitlicher Ablehnung des NetzDGs gemeinsam das Verfassungsgericht anzurufen, rächt sich jetzt. Ein schwerer politischer Fehler, der seine Gründe allein in parteipolitischem Opportunismus bei FDP, Bündnis90/Grüne und Linken hatte.

All das war absehbar. Justizminister Maas schrieb für die Broschüre der „Amadeo-Antonio-Stiftung“ zum Umgang mit „Hate Speech“ das Geleit- und die Ex-Stasi-IM Anetta Kahane das Vorwort. In dem Vorwort des früheren Stasi-Spitzels heisst es:

„Und weil Hass sich niemals verbraucht, nie aufhört oder von allein verschwindet, macht er immer so weiter, genau wie ein Tier, das zwar keinen Hass kennt, aber seinen Reflexen ausgeliefert ist. Menschen also, in denen ein tiefer Hass brennt, dessen eigentliche Ursache sie aber nicht verstehen wollen, sind am Ende dieser Kette eher animalisch als human. Das ist auch so, wenn sich dieser Hass politisch ausdrückt.“

Der Andersdenkende wird von Kahane pathologisiert, kriminalisiert und schließlich entmenschlicht, mit einem Tier gleichgesetzt. Das ist Nazi-Jargon, die perfekte Definition von Hassrede: Die Entmenschlichung durch den Vergleich mit Tieren, Insekten, Ungeziefer, Krankheiten oder anderen nicht-menschlichen Dingen. Man findet Hassrede in einer steuerfinanzierten Broschüre gegen Hassrede. Und statt sein „Geleitwort“ zu dieser Broschüre zurückzuziehen, lässt Maas es bis heute online.

Das Gesetzesvorhaben seiner Nachfolgerin Lambrecht ist die perfekte gesetzliche Umsetzung dieser Ideologie. Er sieht ein Instrumentarium vor, dass einer Demokratie unwürdig ist.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2019

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Kommentare

  1. Stephen

    Gibt es denn mittlerweile erfolgversprechende Ansätze letztendlich vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zu klagen?

  2. Arcus

    Mit Bedauern nehme ich zur Kenntnis, dass es sich bei Frau Lambrecht wohl nicht um Bosheit, sondern um Dummheit handelt. Dummheit stellt aber eine wirkliche Gefährdung unserer Demokratie dar, vor allem, wenn diese in der Regierung sitzt. Erst verschafft uns diese Regierung einen Datenschutz der Lächerlichkeit um sich dann selbst gnadenlos darüber hinweg zu setzen. Das schafft nur Dummheit.

  3. Mich wundert gar nichts mehr in diesem Deutschland. Wann endlich kapieren die Bürger dieses Landes, was eigentlich hier abgeht! Warum hat das Jusitzministerium den Antrag auf die digitale Aufzeichnungpflicht bei Prozessführung abgelehnt? Wieviel Unheil und Vernichtung soll noch weiterhin produziert werden? Leute wacht endlich auf; Ihr könnt die Nächsten sein.

  4. Monika Winherath

    Es kann doch nicht sein, daß so wenige Menschen in Deutschland merken was hier abgeht. Ein Gesetz dieser Art, kann sich gegen jeden wenden. Auch gegen diejenigen, die heute glauben, sie hätten nichts zu befürchten weil sie die,, ricbtige“ Meinung haben.

  5. Andreas Stüve

    Der Gipfel oder das Ende? Als Merkel 2015 die Grenzen aufsperrte, habe ich vom Wiedereinzug des Kommunismus gesprochen. Wurde verlacht. Heute lacht niemand mehr. Ich bin auf Twitter dauerhaft gesperrt, wie lange das auf FB dauert, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Wir erleben gerade eine bolschewistische Revolution, fast niemand scheint das zu bemerken. Hier wird ein sächsischer Busfahrer suspendiert, der wagte, sich zu seiner Herkunft zu bekennen. Was ist das bitte? Nichts anderes als die Fratze Stalins, die hinter „Gerechtigkeit“ und „Toleranz“ hervorlugt. Mittlerweile benutzen sie bereits das Wort „Völkerverständigung“. Wie Honecker und Mielke.

  6. Alexander Rostert

    Ich weiß nicht, ob Lambrecht Demokratin ist, aber ich bin mir ganz sicher, dass sie keine Informatikerin ist. Sonst wüsste sie nämlich, was ein Hash-Algorithmus ist, und dass ein Provider niemals ein Passwort, sondern immer nur den damit generierten Hash herausgeben kann. Der lässt aber keinen Rückschluss darauf zu, wie denn nun das vom User gewählte Passwort lautet. Das ist ja der Gag an dem Ganzen.