Das Ende der Obama-Doktrin v1.0

His Insignificance

His Insignificance

Im Juli 2007 wurde Barack Obama in einer Wahlkampfdebatte die Frage gestellt, ob er gewillt sei, sich in seinem ersten Amtsjahr ohne Vorbedingungen mit den Führern von Syrien, Iran, Venezuela, Kuba und Nordkorea zu treffen. „Ja, das bin ich“ antwortete er. Sanftere, einfühlsamere Vereinigte Staaten hat er uns versprochen. Ein Land, das im Interesse des Friedens einen Neuanfang mit Gegnern und Freunden sucht. Ein Präsident, der zuhört und nicht belehrt. Seine Entschuldigungstour nach Europa („Amerika war arrogant und hat seine europäischen Allierten sogar lächerlich gemacht“), seine Rede, in der er sein Streben nach einer Welt ohne Atomwaffen darlegte, die Neujahrsansprache an den Iran, die Rede an die „muslimische Welt“ in Kairo, begleiteten diese Neuauflage der Carter-Doktrin, die ideologisch und doktrinär an „Diplomatie Über Alles“ glaubt. Obama wurde für diese edle Gesinnung weltweit begeistert gefeiert („Er ist eine Art Gott“, erklärte Evan Thomas, Mitarbeiter der Pro-Obama Postille „Newsweek“). Welch angenehmer Gegenpol zu Präsident Bushs kleingeistiger, texanischer Cowboy-Mentalität.

Bei den Verbrecherregimen dieser Erde scheint die neue Strategie allerdings nicht sonderlich gut anzukommen, geschweige denn, irgend etwas zu bewirken. Nordkoreas Drohungen und sein Atomwaffentest sind eine deutliche Antwort auf Annäherungsbestrebungen aus Washington. Das brutale Niedermetzeln der Opposition im Iran ein Schlag ins Gesicht des erkennbar verunsicherten US-Präsidenten. Dieser benötigte nach Beginn der Massaker über eine Woche, um nach „intensiven Diskussionen“ iranische Diplomaten von den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli auszuladen.

Mit seinen hochtrabenden Reden, voller moralischer Äquivalenz und Selbstkasteiungen, glaubte Obama an den Messias, der eine neue Phase der Weltgeschichte einleitet. Ein Schritt, der möglich war, weil dieser über der Ignoranz der gewöhnlich Sterblichen schwebt, die vor ihm das Weiße Haus bevölkerten.

Diese aussenpolitische Agenda ist, jedenfalls in Bezug auf den Iran, tot. Das dortige Regime hat auch nach Maßgabe der eigenen Standards jegliche Legitimation verloren. Es ist zu einer bloßen Diktatur verkommen und es hat Blut an den Händen. Und diese Hände kann Obama nicht mehr schütteln, ohne sich selbst zu besudeln. Seine Weigerung, sich moralisch klar auf die Seite der Bevölkerung zu stellen, begründete der US-Präsident damit, dass man nicht wisse, „wie die Sache ausgehe“. Was er auf seiner Pressekonferenz nicht weniger als vier Mal wiederholte.

Ist Opportunismus der richtige Begriff hierfür ? Hat Obamas Bestreben, mit Ahmadinedschad zu verhandeln (und ihn daher nicht verärgern zu wollen), Vorrang vor der Solidarität mit den Demonstranten ? Verrät er deren Kampf für Freiheit, damit er mit ihren Schlächtern einen Deal machen kann ? Obama weiß es selber nicht. Ihm fehlen die notwendigen moralischen Kategorien und die Kraft, Integrität und Überzeugung, für diese einzutreten, wenn es an der Zeit ist. Die Europäer Merkel (die Kanzlerin in schönster Neocon-Terminologie „Menschenrechte sind keine innere Angelegenheit“) und Sarkozy treiben Obama in Sachen Iran vor sich her, ebenso der amerikanische Kongress mit einer mit 405:1 Stimmen verabschiedeten Iran-Resolution.

1823 hat sich Daniel Webster, ein Neuling im US-Kongress für die Revolution in Griechenland ausgesprochen. Seinen Kritikern, die der Meinung waren, allein rhetorische Unterstützung würde den Revolutionären keine wirkliche Hilfe sein, erklärte er:

„Ich hoffe doch. Sie wird ihnen Mut und Unterstüzung sein. Und sie wird ihnen öffentliche Anerkennung zeigen und sie erkennen lassen, dass die zivilisierte Welt sie nicht vergessen hat.“ Die Unterstützung derjenigen, die für ihre Freiheit kämpfen „sind wir unserem eigenen Charakter schuldig und unseren eigenen Pflichten.“

Natan Scharanski wurde im März 1977 verhaftet. Nach einer Anklage auf Hochverrat und Spionage zugunsten der USA wurde er im Juli 1978 zu 13 Jahren Zwangsarbeit verurteilt und verbrachte neun Jahre in einem sibirischem Gulag. Im Juni 2004 antwortete er in einem Interview auf die Frage, ob er sich an spezielle „Reagan-Momente“ erinnern könnte, die für ihn Quellen von Kraft und Ermutigung waren:

„I have to laugh…Of course ! It was the great brilliant moment when we learned that Ronald Reagan had proclaimed the Soviet Union an Evil Empire before the entire world…This was the moment. It was the brightest, most glorious day. Finally a spade had been called a spade. Finally, Orwell’s Newspeak was dead. President Reagan had from that moment made it impossible for anyone in the West to continue closing their eyes to the real nature of the Soviet Union.“

Der lavierende, verunsicherte und zögernde US-Präsident erlebt eine schmerzhafte Kollision mit der Wirklichkeit. Hat er uns in seiner Berliner Rede nicht „a world that stands as one“ versprochen. Und hieß es nicht vor der Siegessäule der deutschen Hauptstadt auch:

„Will we stand for the human rights of the dissident in Burma, the blogger in Iran, or the voter in Zimbabwe?…My country must stand with yours and with Europe in sending a direct message to Iran that it must abandon its nuclear ambitions….We must support the Lebanese who have marched and bled for democracy…There is no challenge too great for a world that stands as one…People of the world–this is our moment. This is our time.“

Dann mal los, Barack. Die Wirklichkeit ist ein verdammt ungemütlicher Platz, um auf dem Wasser zu wandeln.

© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2009

UPDATE: Von mutigen Iranerinnen lernen !

fuck-ahmadinedschad

UPDATE 2, 27.6.09: Obamas Statements in der gestrigen Pressekonferenz mit Kanzlerin Merkel bestätigen die Thesen in dem vorstehenden Text. Das Video zeigt, dass es zwar eine schwere Geburt war, Obama aber dann zu erfreulich klaren Erklärungen gelangt. Seine Stellungnahme ist seine bisher mit Abstand beste in Sachen Iran. Man gewinnt den Eindruck, daß die Realität ganz langsam Besitz vom US-Präsidenten ergreift. Glaubt jemand, daß sich Obama noch mit Ahamdinedschad an einen Tisch setzen wird ? Wie oben ausgeführt: Die Obama-Doktrin ist tot. („At a White House news conference with the German chancellor, Angela Merkel, Mr. Obama intensified his reproach of Iran’s government and called for an end to deadly attacks against its people. He also engaged in an unusual exchange with President Mahmoud Ahmadinejad, brushing aside a suggestion that he apologize for criticizing Iran. “I would suggest that Mr. Ahmadinejad think carefully about the obligations he owes to his own people,” Mr. Obama said. “And he might want to consider looking at the families of those who’ve been beaten or shot or detained.”).

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Kommentare

  1. Andrej

    @Franz von Fear:
    Mal unter uns, wenn Sie beim Reisebüro ’ne Woche Paris buchen, dann reklamieren Sie hinterher, weil Notre Dame die Türme fehlen, oder?

  2. Franz von Fear

    Bei Fotomontagen sollte man wenigstens auf die Proportionen achten wenn man sich schon nicht die Mühe macht Schnittkanten zu bearbeiten.

  3. Völker Ball

    Mann, das waren noch Zeiten, als Bush, Perle, Rumsfeld, Cheney, Feith, Kristol etc. auf der Höhe der Zeit, mit der Wirklichkeit auf Augenhöhe waren! Da hat der freie Westen seine ultimativen Erfolge verzeichnet! Frango ut patefaciam! Den Nahen Osten pazifiziert und demokratisiert.

  4. Crackerjack

    Schade das man Obama nur ein paar Monate gibt um das zu erreichen was Bush in 8 Jahre nicht schaffte. Und warum wir Bush’s gescheiterte Strategien fortführen sollen erschließt sich mir auch nicht. Während der Präsidentschaft Obamas erheben sich die Iranischen Massen die während Bush’s „Axis of Evil“ Kriegsrethorik die Reihen fest geschlossen hielten, wie Nationen das nun mal unter eine außere Bedrohung tun. Obama hat Bewegung in die Islamische Welt gebracht unter anderen mit dem Versprechen auf Zusammenarbeit und nicht Einmischung. Warten wir ab was sich noch in den nächsten Monaten tut.

  5. Joana

    Interessant. Hätte Obama so laut gepoltert wie Bush und die Armee in Bewegung gesetzt, um der Bevölkerung zu helfen, dann wären die Deutschen die ERSTEN gewesen, die „Kein Blut für Öl“ skandiert hätten. Schon jetzt glauben ja genug, die bösen Amis stehen hinter den Demos im Iran. Egal was ein US Präsident tut oder lässt, wir Deutschen werden eh nie zufrieden sein. Bush hat den Irakern auch geholfen, eine Diktatur zu beenden und was haben die Deutschen dazu gesagt? Genau…..

  6. Andrej

    Eigentlich wäre ja das berühmte Zitat „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch“ die passende Bildunterschrift. Aber die junge Dame dürfte wohl wesentlich mehr Mut besitzen als Joschka Fischer seinerzeit im Bundestag, und wenn man bedenkt, dass Fischers neuer Brötchengeber ausgerechnet u.a. Ahmadinedschads Erdgas durch die Welt pumpen will, dann ist es wohl doch zuviel der Ehre für den ollen „Putzgruppen“-Stassenkehrer.