Fukushima-Störfall: Japan ist nicht die Sowjetunion!

Fukushima: Kernschmelze des Journalismus

Fukushima: Kernschmelze des Journalismus

Die deutschen „Qualitätsmedien“ überschlagen sich gegenseitig in der Weltuntergangsstimmung. Die Katastrophe in Japan ist spannender als die Sportschau. Die selbsternannten „Atomexperten“ geben sich die Klinke in die Hand und überbieten sich gegenseitig im Ausmalen der „Super-Super-Gau-Atomkatastrophe“. Hier soll nicht der Weg beschritten werden, vom Hörensagen irgendwelcher Reporter in Hotels in Tokyo zu berichten.

Japan ist nicht die Sowjetunion! Es gibt internationale Regularien, wie solche Störfälle gehandhabt werden. Gemäß dieser Regularien berichten sowohl der Betreiber, wie auch die japanischen Behörden fast im Minutentakt über alle geplanten und durchgeführten Maßnahmen. Wer will, kann sich also informieren. Wenngleich die Meldungen von Laien nicht  immer eingeordnet werden können. Deshalb soll hier der Versuch unternommen werden, den Ablauf der Ereignisse und die Konsequenzen sachlich darzustellen.

Das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi besteht aus sechs Reaktoren (1×439, 4×760,1×1067 MWe). Zur Zeit des Erdbebens waren die Blöcke 1 bis 3 am Netz. Nach offiziellen Meldungen waren die Blöcke 4 bis 6 in Revision. Ausgelöst durch das Erdbeben, wurden die Blöcke 1 bis 3 (wie vorgesehen) automatisch abgeschaltet. Durch diese sog. Schnellabschaltung produziert das Kernkraftwerk keinen Strom mehr. Es muß also der Strom für den eigenen Betrieb (von Beleuchtung bis Kühlmittelpumpen) vom öffentlichen Stromnetz bezogen werden. Dieser Bezug war aber nicht mehr möglich, da das Stromnetz durch das Erdbeben zerstört worden ist. Deshalb starteten vollautomatisch die dreifach redundanten Notstromdiesel. Diese Notstromversorgung verlief zunächst wie geplant und ohne Probleme. Etwa eine Stunde nach der Schnellabschaltung wurden die Notstromdiesel (wahrscheinlich) durch den Tsunami alle drei außer Gefecht gesetzt. Nun sind die Japaner aber nicht dumm und bauen daher eine Notstromversorgung direkt am Meer nicht ohne Hochwasserschutz. Die einzige Erklärung ist daher im Moment, eine Zerstörung des Hochwasserschutzes durch das vorausgegangene Erdbeben. Gleichwohl ist dies eine wichtige sicherheitstechnische Frage, die noch genau geklärt werden muss. Man hat unverzüglich mehrere mobile Notstromaggregate aus der Umgebung herbeigeschafft. Bisher ist nicht genau bekannt, warum der Anschluss an die Anlage nicht unverzüglich geklappt hat. Es gibt bisher mehrere Hypothesen in den Meldungen, über nicht vorhandene Kabel und Schwierigkeiten mit der vorhandenen Leittechnik. Ein weiterer Punkt, der später noch genau untersucht werden muss.

In diesem Zeitraum – zwischen dem Ausfall der eigenen Notstromzentrale und dem Anschluss der mobilen Aggregate – waren die drei Reaktoren ohne ausreichende Kühlung. Um zu verstehen, welche Konsequenzen das hat, muss man kurz auf die Funktion eines Kernreaktors eingehen: Die Kernspaltung findet in fingerdicken Röhren statt, die vollständig vom Kühlwasser umspült werden. In einem Siedewasserreaktor verdampfen dadurch etwa 8% des umlaufenden Wassers und werden zur Turbine geleitet, um dort Arbeit zu leisten. Durch die Verdampfung des Wassers werden andererseits die Brennstäbe gekühlt. Es stellt sich im Reaktor ein Gleichgewicht mit einem bestimmten Druck und einer bestimmten Temperatur ein. In diesem Zusammenhang ist nur wichtig, dass diese Temperatur und dieser Druck für die erforderlichen Materialien und Abmessungen bestimmend sind. Wenn man nun die Wärmesenke (Schnellabschaltung der Turbine) entzieht, steigt der Druck im Reaktor an. Ganz genau so, als wenn man unter einem Schnellkochtopf den Gasherd laufen lässt. Irgendwann würde er so hoch ansteigen, dass das System platzt. Deshalb ist es vorgesehen, ab einem gewissen Druck kontrolliert Dampf abzulassen. Wenn man jedoch Dampf ablässt, um den Druck in Grenzen zu halten, muss man gleichzeitig die gleiche Menge Wasser nachfüllen, da sonst der Wasserstand unaufhörlich absinkt. Hier lag nun das Problem: Um Wasser gegen den hohen Druck im Reaktor zu drücken, braucht man (bei dieser Reaktorgeneration) starke elektrische Speisepumpen. Wenn — wie offensichtlich geschehen — der Wasserstand so weit absinkt, dass ein Teil der Brennstäbe nicht mehr durch verdampfendes Wasser gekühlt wird, sondern nur noch durch Dampf (wesentlich schlechterer Wärmeübergang) gekühlt wird, werden diese Teile zu heiß. Erste Konsequenz ist dann das Versagen der Hüllrohre. Sie platzen auf und Spaltprodukte können (teilweise) aus den Brennstäben austreten und in das Reaktordruckgefäß austreten. Steigt die Oberflächentemperatur der Brennstäbe über einen Schwellwert an, bildet sich über eine chemische Reaktion zwischen dem Dampf und den Hüllrohren Wasserstoff. Auch dieses ist offensichtlich geschehen. Jetzt zu den wahrscheinlichen Konsequenzen:

Weiterlesen bei Absatz 5: Warum wird Fukushima kein Tschernobyl werden?

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Kommentare

  1. Peter Meisenheimer

    Ich hab hier nix verharmlost, dafür sind andere zuständig. Jeder blamiert sich halt selbst so gut er kann.

  2. andrej

    Stimmt, Herr Meisenheimer. Tausende Tote sollte man nicht verharmlosen. Eine wirklich böse Havarie, die jedem die Risiken und die Unbeherrschbarkeit der Wasserkraft vor Augen führt. Meere-nein Danke!

  3. Peter Meisenheimer

    Wenn Herr RA S. aus HH weiterhin behauptet, diese Havarie von mindestens 3 Reaktoren in Japan sei halb so wild und Tepco habe alles unter Kontrolle, dann mag er sich doch bitte unverzüglich mit einer Wasserpistole bewaffnet zu den Reaktoren begeben und etwas Wasser zur Kühlung verspritzen. Das hilft bestimmt …